Psychologie Fragmentierte Aufmerksamkeit: Wie Smartphones unsere Langeweile fördern

Eine Frau liegt mit dem Gesicht nach unten auf einer Couch
Immer mehr junge Menschen langweilen sich. Forschende sehen einen Zusammenhang zum gestiegenen Konsum digitaler Inhalte
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Viel hilft viel – oder etwa doch nicht? Beim Thema Langeweile bewirkt das Überangebot an digitalen Inhalten oft das Gegenteil

Wer kennt das nicht: Während die Serie im Hintergrund läuft, werden auf dem Smartphone noch schnell Nachrichten getippt, durch Instagram gescrollt oder E-Mails gecheckt. Die "Second-Screen-Nutzung" ist mittlerweile eine feste Routine in vielen Haushalten, um bloß keine Langeweile aufkommen lassen. Doch führt die inzwischen scheinbar unbegrenzte Ablenkungsmöglichkeit durch digitale Medien wirklich dazu, dass wir uns weniger langweilen? Forschende des psychologischen Instituts der Universität Toronto sagen: Nein. Ihre Untersuchung zeigt, dass sich junge Erwachsene heute tatsächlich mehr langweilen als noch vor 15 Jahren. Warum das so ist, analysieren die Psychologen Katy Tam und Michael Inzlicht in einer aktuellen Übersichtsarbeit, die in der Fachzeitschrift "Communications Psychology" veröffentlicht wurde.

Ob an US-amerikanischen Schulen oder an chinesischen Universitäten – Weltweit langweilen sich immer mehr Menschen. Tam und Inzlicht sehen einen engen Zusammenhang mit der steigenden Nutzung digitaler Medien. Diese hat vor allem durch die rasante Verbreitung von Smartphones und Social-Media-Plattformen wie Facebook, WhatsApp, Instagram oder TikTok zugenommen. Inzwischen nutzen mehr als fünf Milliarden Menschen soziale Medien – und verbringen darauf durchschnittlich 151 Minuten pro Tag. Das ist viermal so viel wie noch 2015. 

Smartphones
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Digitale Medien zersplittern unsere Aufmerksamkeit

Die negative Auswirkung auf unsere Aufmerksamkeit ist laut den Forschenden ein zentraler Grund, warum digitale Medien Langeweile fördern. So überfluten uns Smartphones jeden Tag mit einer Vielzahl von Nachrichten. Statistiken zeigen, dass junge Menschen durchschnittlich 237 Benachrichtigungen pro Tag erhalten. Und jede dieser Mitteilungen zieht einen Teil unserer Aufmerksamkeit auf sich. Häufig werden dadurch tägliche Aktivitäten unterbrochen, die Konzentration leidet, und wir machen beispielsweise häufiger Fehler bei der Arbeit. Allein die Anwesenheit eines Smartphones in der Nähe genügt, um die kognitive Leistungsfähigkeit zu beeinträchtigen, zeigen Studien. Die parallele Nutzung mehrerer Medien, wie das Surfen auf dem Handy während des Fernsehens, führt ebenfalls dazu, dass unsere Aufmerksamkeit fragmentiert wird. Dieser ständige Wechsel zwischen verschiedenen Reizen und Aufgaben macht es schwerer, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Die Folge: Frustration, Unruhe – und ja, auch Langeweile.

Immer greller, bunter und lauter

Das Überangebot an digitalen Medien hat aber auch zu einer drastisch gestiegenen Reizschwelle geführt, erklären Tam und Inzlicht in ihrer Studie. Im Strom endlos scrollbarer Feeds von TikTok, Instagram und Co. müssen Bilder, Nachrichten und Kurzvideos inzwischen innerhalb der ersten Sekunden fesseln, sonst werden sie einfach weggewischt. Das führt wiederum dazu, dass immer stärkere Reize benötigt werden, um etwas spannend zu finden, und steigert unsere Erwartung an Unterhaltung. Entsprechend wirken Aktivitäten, die keine sofortige Stimulation bieten, wie das Lesen eines Buches oder der Besuch einer Vorlesung, oft reizlos und langweilig. Was uns einst fesselte, reicht heute nicht mehr aus. Das wiederum kann das Bedürfnis nach multipler Stimulation fördern, ein Grund für die eingangs erwähnte Second-Screen-Nutzung. 

Ein häufiger Wechsel zwischen unzusammenhängenden digitalen Inhalten kann außerdem das Gefühl von Sinnlosigkeit und innerer Leere verstärken, erklären die Forschenden. Und: Je mehr Zeit man am Smartphone verbringt, desto weniger Zeit investiert man beispielsweise in Sport, soziale Begegnungen oder kreative Hobbys – Aktivitäten, die nachweislich Langeweile reduzieren können.

Was also tun? Digitale Medien haben zwar unser Leben bereichert, aber auch neue Herausforderungen mit sich gebracht. Der Schlüssel liegt nicht darin, digitale Geräte zu verteufeln, sondern sie bewusster und gezielter zu nutzen, schlussfolgerten die Forschenden. Es lohnt sich, regelmäßig auch auf analoge Freizeitaktivitäten zu setzen, die uns fordern und mit Sinn erfüllen – um Langeweile auf nachhaltige Weise zu vertreiben.