Neue Studie Geruchsstörungen nach Covid-19 oft stärker und häufiger als gedacht

Frau riecht an einem Baum
Bei einer neuen Studie erzielten 80 Prozent der Studienteilnehmenden, die nach einer Covid-19-Erkrankung eine Veränderung ihrer Geruchsfähigkeit angaben, auch zwei Jahre bei einem klinischen Geruchstest niedrige Werte
© Olga Rolenko / Getty Images
Dass eine Covid-Erkrankung auch dauerhaft die Geruchsfähigkeit einschränken kann, ist bekannt. Doch das Phänomen ist häufiger als bisher angenommen. Auffällig: Oft bemerken die Betroffene das nicht

Die akute Corona-Pandemie ist vorbei, doch für viele Menschen bestehen manche gesundheitliche Langzeitfolgen weiter. So können viele Menschen noch zwei Jahre nach einer Covid-Erkrankung deutlich schlechter riechen, wie eine im Fachjournal "JAMA Network Open" publizierte US-Studie zeigt.

"80 Prozent der Studienteilnehmer, die nach einer Covid-19-Erkrankung eine Veränderung ihrer Geruchsfähigkeit angaben, erzielten auch etwa zwei Jahre später bei einem klinischen Geruchstest niedrige Werte", schreibt das Team um Leora Horwitz von der New York University. Fast jeder vierte in dieser Gruppe (23 Prozent) war demnach stark beeinträchtigt oder hatte den Geruchssinn vollständig verloren.

Menschen mit einer Covid-19-Vorgeschichte hätten ein besonderes Risiko für eine Schwächung des Geruchssinns, folgert die Forschungsgruppe. Dieses Problem werde unterschätzt.

Auch in Deutschland ist das Problem bekannt

Für die Untersuchung testete das Team den Geruchssinn von rund 3.500 erwachsenen Männern und Frauen, die in den knapp zwei vorherigen Jahren an Covid erkrankt waren. Sie mussten in einem standardisierten Test 40 verschiedene Düfte identifizieren. Das Besondere: Während frühere Studien zum Geruchsverlust nach Covid-19 meist auf Selbstauskünften beruhten und Betroffene ihre Einschränkungen möglicherweise unter- oder überschätzten, erlaubt der hier angewendete Test eine objektive Messung. 

Die Ergebnisse wurden anschließend in einer Datenbank mit den Resultaten von Tausenden gesunden Freiwilligen desselben Geschlechts und Alters verglichen, die dem gleichen Test unterzogen worden waren. Auffällig: Viele ehemals Erkrankte waren sich ihrer verminderten Geruchsfähigkeit nicht bewusst. So gaben 1.563 Teilnehmende (knapp 45 Prozent) an, nach der Infektion keine Riecheinschränkungen zu bemerken. Doch 66 Prozent von ihnen hatten in dem Test messbare Defizite, rund 8 Prozent sogar schwere Einschränkungen.

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Auch in Deutschland ist das Problem bekannt, erklärt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Peter Berlit. Seit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 beobachtet der Neurologe die Folgen von Covid-19 und war auch an der Erstellung medizinischer Leitlinien beteiligt: "Wir kennen einen solchen Verlust des Geruchssinns bereits von der Influenza. Aber dort ist es viel seltener als während und nach einer Corona-Infektion."

Riechprobleme auch in allgemeiner Bevölkerung häufiger als gedacht

Für die Autoren der aktuellen Studie war besonders überraschend, dass auch in der Kontrollgruppe, also ohne bekannte Vorinfektion, rund 60 Prozent der Teilnehmenden eine eingeschränkte Riechfähigkeit zeigten. Das, so das Team, könnte an unentdeckten Infektionen und damit einer falschen Klassifizierung liegen. Außerdem sei es möglich, dass Riechstörungen in der Bevölkerung insgesamt deutlich häufiger auftreten als bislang angenommen.

"Auch wenn Patienten dies möglicherweise nicht sofort bemerken, kann eine verminderte Geruchswahrnehmung tiefgreifende Auswirkungen auf ihr geistiges und körperliches Wohlbefinden haben", erläutert Studienautorin Horwitz. 

Weitere Studien untersuchen daher, ob sich der Geruchssinn durch Therapien wie Geruchstraining oder Nahrungsergänzung – zum Beispiel mit Vitamin A – gezielt fördern lässt. Das Team empfiehlt aufgrund der Ergebnisse, formale Geruchstests künftig routinemäßig in die Nachsorge einer Covid-19-Erkrankung einzubeziehen. So könnten Langzeitfolgen früher erkannt und besser behandelt werden.

Franca Krull