Fotophorese Neues Verfahren bringt kleine Flugobjekte mithilfe von Sonnenwärme zum Schweben

Ultraleichte kleine Flugobjekte illustriert
Ultraleichte kleine Flugobjekte könnten künftig in 50 bis 80 Kilometern Höhe durch die Atmosphäre schweben und Daten sammeln oder der Telekommunikation dienen. Die neu entwickelten, zentimetergroßen, hier illustrierten Geräte erhalten Auftrieb durch ein physikalisches Phänomen, das von der Lichtmühle her bekannt ist: die sogenannte Fotophorese
© Schafer et al. Nature (2025)
Wie lassen sich Temperaturunterschiede nutzen, um Objekte lautlos durch die hohe Atmosphäre zu bewegen? Wissenschaftler haben eine neuartige Lösung entwickelt

Ultraleichte kleine Flugobjekte könnten künftig in 50 bis 80 Kilometern Höhe durch die Atmosphäre schweben und Daten sammeln oder der Telekommunikation dienen. Die neu entwickelten, zentimetergroßen Geräte erhalten Auftrieb durch ein physikalisches Phänomen, das von der Lichtmühle her bekannt ist: die sogenannte Fotophorese. 

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Dabei setzen Wärmeunterschiede zwischen Vorder- und Rückseite eine Luftströmung in Gang, die die Flügel der Lichtmühle antreiben. Eine Forschergruppe um Benjamin Schafer und Jong-hyoung Kim von der Harvard University in Cambridge (Massachusetts, USA) hat die neuen Geräte und ihre Anwendungsmöglichkeiten in der Fachzeitschrift"Nature" beschrieben.

Schweben durch Licht

Schafer, Kim und Kollegen untersuchten die Fähigkeit der Fotophorese, sehr leichte Objekte schweben zu lassen, wenn man sie mit Licht bestrahlt."Dieses Phänomen ist im Verhältnis zur Größe und zum Gewicht des Objekts, auf das es einwirkt, normalerweise so schwach, dass wir es kaum bemerken", wird Schafer in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Aber wenn die Luft sehr dünn ist, wie es in der Mesosphäre oberhalb von etwa 50 Kilometern Höhe der Fall ist, dann kann die Fotophorese für genügend Auftrieb sorgen. Auch die bereits 1873 von William Crookes erfundene Lichtmühle funktioniert nur in einem Beinahe-Vakuum.

Funktionsweise hat Parallelen zum Rückstoß einer Rakete

Die Wissenschaftler entwickelten ein zentimetergroßes Objekt, das dem Flügel eines Doppeldeckers ähnelt, nur sehr viel kleiner: Es besteht aus einer oberen Folie aus Aluminiumoxid, die durch winzige Röhrchen mit der unteren Folie verbunden ist, die wiederum aus zwei Schichten Aluminiumoxid und zwei Schichten Chrom besteht. Alle Schichten sind nur fünf bis hundert Nanometer (Millionstel Millimeter) dick. 

Bei Sonnenbestrahlung wärmt sich die untere Folie schneller auf, wodurch die Luftmoleküle, die von unten gegen sie prallen, zusätzliche Energie erhalten und stärker abprallen. Der entstehende Unterdruck zieht Luft nach sich, die durch die winzigen Röhrchen von oben nach unten fließt. Dies wirkt ähnlich wie der Abgasstrahl einer Rakete, der durch den Rückstoß die Rakete antreibt.

Objekte brauchen keinen Antrieb

Die Tests im Labor unter Bedingungen, wie sie in der Mesosphäre vorhanden sind, waren erfolgreich."Dies ist das erste Mal, dass gezeigt wurde, dass man größere fotophoretische Strukturen bauen und sie tatsächlich in der Atmosphäre fliegen lassen kann", sagt David Keith von der University of Chicago. Als Autor der Studie hat er durch seine Theorien die Forschung angestoßen. Fotophoretische Flugobjekte benötigen keine Verbrennung, Rotoren oder Antriebssysteme. Ihr Auftrieb wird geräuschlos und ohne bewegliche Teile erzeugt, indem lediglich der Fluss verdünnter Gase in Temperaturgefällen genutzt wird.

Potenzial für Klimadaten und Telekommunikation

«Wenn das volle Potenzial dieser Technologie ausgeschöpft werden kann, könnten Schwärme oder Gruppen solcher fotophoretischer Flugobjekte innerhalb des nächsten Jahrzehnts hochauflösende Daten über Temperatur, Druck, chemische Zusammensetzung und Winddynamik der Mesosphäre sammeln", schreibt Igor Bargatin von der University of Pennsylvania in Philadelphia in einem Kommentar, ebenfalls in "Nature". 

Als weiteren möglichen Einsatzzweck sehen Schafer, Kim und Kollegen die Nutzung als Telekommunikationseinrichtung, ähnlich wie die Starlink-Satelliten, aber weniger zeitverzögert. Auch in der dünnen Marsatmosphäre könnten die Geräte eines Tages zum Einsatz kommen, spekulieren die Forscher.

Es sind noch Hürden zu überbrücken

Allerdings gibt es noch eine Reihe von Hürden. So funktioniert die Fotophorese nur bei Sonneneinstrahlung, also am Tag. Kleinere Objekte könnten womöglich nachts durch die Wärmestrahlung der Erde in der Mesosphäre gehalten werden, schreiben die Studienautoren. Die Nutzlast ist ebenfalls problematisch. Berechnungen zufolge könnte ein 80 Zentimeter großes Objekt mit einem Gewicht von einem Gramm pro Quadratmeter eine Nutzlast von 0,9 Gramm tragen – unter optimalen Bedingungen am Äquator. Dennoch sind die Wissenschaftler optimistisch, dass die Probleme sich lösen lassen. 

Stefan Parsch