Rekord-Mikrobe Rätsel um "Conan das Bakterium" gelöst

Conan das Bakterium
Nicht zufällig wird es auch "Conan" genannt: Das Bakterium Deinococcus radiodurans kommt mit extremer Hitze, Kälte, Trockenheit zurecht – und auch hohe Strahlendosen machen ihm nichts aus
© USU/Michael Daly
Deinococcus radiodurans ist der widerstandsfähigste Organismus der Erde: Das Bakterium überlebt die tödlichsten Bedingungen. Nun sind Forschende seinem Geheimnis auf den Grund gegangen

Es ist ein Superstar der Mikrobiologie, ein Guinness-Buch-der-Rekorde-Kandidat, ein Winzling zwar, doch so hartgesotten, dass es seinem Beinamen alle Ehre macht: "Conan das Bakterium" übersteht Bedingungen, die sämtliche anderen irdischen Lebensformen dahinraffen würden. 

Seine Widerstandskraft bewies Deinococcus radiodurans schon bei seiner Entdeckung in den 1950er-Jahren. Damals versuchten US-Wissenschaftler Fleischkonserven mittels ionisierender Strahlung keimfrei und so haltbar zu machen. Doch auf dem behandelten Fleisch bildete sich ein Belag, pink und stinkend: Darin tummelten sich kugelförmige Kokken. Offenbar konnte die Sterilisierungsmaßnahme Deinococcus nichts anhaben.

Ein Jahr lang überlebte das Bakterium auf der Außenhaut der ISS

Inzwischen hat sich gezeigt: Conan kann – in getrockneter und gefrorener Form – sogar Strahlung ab, die bis zu 140.000 Gray (die Maßeinheit für ionisierende Strahlung) stark ist. Eine Dosis, 28.000-fach höher als jene, die einen Menschen töten würde. Auf der ISS konnte das beerenförmige Bakterium auch bereits seine All-Tauglichkeit unter Beweis stellen. 

Forschende hatten an der Außenhaut der Raumstation kleine Wannen befestigt, in denen ein millimeterdünner Bakterienrasen wuchs. Auf ihrer Reise in 400 Kilometer Höhe waren die Mikroben einem massiven Bombardement von UV- und kosmischer Strahlung ausgesetzt, dazu mussten sie mit ultraniedrigem Druck, praktisch keiner Luftfeuchtigkeit und immensen Temperaturschwankungen klarkommen. Und sie hielten sich wacker da draußen. Über die gesamte Dauer des Experiments: ein ganzes Jahr.

Schon länger ist bekannt, dass das Geheimnis hinter dieser beeindruckenden Resistenz zum einen auf eine außergewöhnliche Fähigkeit zurückgeht, beschädigte DNA zu reparieren. Die Mikrobe kann zerstückeltes Erbgut wieder zusammenflicken und fehlende Bestandteile ersetzen. Andererseits beruht die Zähigkeit auf einem hochwirksamen Antioxidans, das aggressive Moleküle unschädlich macht – solche also, die massenhaft durch Strahlung entstehen. 

Nun haben Chemiker der Northwestern University in Illinois und der Uniformed Services University (USU) in Maryland herausgefunden, was genau diesen Superstoff ausmacht. Die Forschenden zeigen im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences", dass es sich um recht einfach gebaute Stoffwechselprodukte handelt, die sich in einem Verbund zusammenlagern und so das Bakterium vor extremer Strahlung zu schützen vermögen. Zu diesem sogenannten ternären Komplex gehören Phosphat, ein kleines Peptid sowie Mangan-Ionen. 

"Wir wissen seit Langem, dass Mangan-Ionen und Phosphat zusammen ein starkes Antioxidans bilden", sagt Autor Brian Hoffman. "Aber die Entdeckung und das Verständnis der 'magischen Kraft', die durch den Zusatz der dritten Komponente entsteht, ist ein Durchbruch." Das Peptid also, der Dritte im Bunde, scheint den wahren Booster zu geben und ist laut Hoffman der Schlüssel zum Verständnis für die unfassbare Strahlenresistenz von Deinococcus.

Forschende erhoffen sich Anwendungen in der Medizin, der Industrie, der Raumfahrt

Die Dreier-Kombo ist so effektiv, dass sie nun Pate stehen soll für die Entwicklung chemischer Präparate, die dereinst – so die Hoffnung – in den Dienst der Menschheit gestellt werden können. Und Anwendung finden sollen im Gesundheitswesen etwa, in der Industrie, der Verteidigung und der Weltraumforschung. So würden zu wünschenswerten Einsatzmöglichkeiten der Schutz von Astronauten vor intensiver kosmischer Strahlung bei Weltraummissionen gehören oder auch die Behandlung von Strahlungsnotfällen.

Vielleicht wird uns Conan in Zukunft noch einmal von Neuem überraschen. Auf der Erde ist der mikrobielle Weltenbummler überall dort zu finden, wo vielen anderen die Lebenspuste ausgeht. Man findet das robuste Bakterium in der Antarktis, im menschlichen Darm ebenso wie im Kühlwasser von Kernkraftwerken. Doch manche Forschende halten es nicht für ausgeschlossen, dass die "polyextremophile" Kokke gar weit jenseits unseres Planeten aufgestöbert werden könnte. Und zwar lebendig.

Denn wenn vor Urzeiten, so jedenfalls eine Theorie, auch auf dem Mars Mikroben gediehen, könnte "Conan" ein letzter Überlebender sein. Seit Ewigkeiten gefroren zwar, aber aufgrund seiner besonderen Eigenschaften vor dem Ansturm kosmischer Strahlung und den Sonnenprotonen geschützt – hat er womöglich bis heute überdauert. Sollten die Keime irgendwann entdeckt werden, könnten sie wieder zum Leben erweckt und Deinococcus als erster außerirdischer Organismus gleich noch mal ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen werden.