Schmieden Ameisen Pläne, wie sie am besten an ihre Nahrung kommen? Nicht bewusst. Sie scheinen jedoch ein ausgeklügeltes System anzuwenden, wenn ihnen beim Transport von Nahrung zu ihrem Nest etwas in die Quere kommt. Das berichtet ein Team des Weizmann-Instituts aus Israel und der Schweiz im Fachblatt "Frontiers in Behavioral Neuroscience".
Die Ameise Paratrechina longicornis – die weltweit verbreitet ist – räumt demnach Hindernisse aus dem Weg, bevor diese tatsächlich zum Problem werden. Die Forscher meinen, mit ihrer Studie erstmals vorausschauendes Verhalten beim kooperativen Transport von Nahrung dokumentiert zu haben.
Es begann mit einem Zufall
Die Forschung wurde durch einen Zufall inspiriert: Wissenschaftler beobachteten einzelne Ameisen, die winzige Kieselsteine von ihrem Pfad entfernten, bevor eine Gruppe anderer Ameisen ein Stück Nahrung dorthin transportierte. "Es sah so aus, als würden diese winzigen Tiere die Schwierigkeiten vorhersehen und ihren Freunden helfen wollen", wird Ofer Feinerman vom Weizmann-Institut, einer der Studienautoren, in einer Mitteilung zitiert.
Um dem Phänomen auf den Grund zu gehen, führten die Forscher mehr als 80 Experimente mit einer sogenannten Superkolonie der Ameisenart durch. Dabei blockierten sie den Weg der Ameisen zu ihrem Nest mit Kunststoffkügelchen, die etwa halb so groß waren wie eine Ameise lang, und beobachteten das Verhalten der Tiere beim Transport von Katzenfutter-Pellets sowie einzelner Krümel davon. Die Pellets sind den Autoren zufolge auch bei Ameisen beliebt.
Es zeigte sich: Wurden ganze Pellets transportiert, gab es immer Ameisen, die zunächst Hindernisse wegräumten. Anders war dies, wenn nur Pellet-Krümel transportiert wurden: Diese können auch ohne größeren Team-Aufwand getragen werden, sodass Hindernisse umgangen werden konnten.
Pheromonspuren zeigt an: Räumen ist angesagt
Aber woher wissen die Ameisen nun, was zu tun ist, wenn sie zuvor noch gar nicht mit den Hindernissen in Kontakt waren? Den Studienautoren zufolge spielen dabei Pheromonspuren, also chemische Duftmarken, eine wichtige Rolle. Aus früherer Forschung ist bereits bekannt, dass Ameisen ihre Artgenossen mithilfe dieser Duftmarken auf gefundene Nahrung hinweisen – ihnen also eine Fährte bauen.
Diese Methode kommt der Studie zufolge auch bei der Entfernung der Hindernisse zum Einsatz: Die Duftstoffe – in kurzen Abständen auf dem Boden abgesetzt – locken weitere Ameisen an und scheinen ihnen damit zu signalisieren: Zeit zum Aufräumen! Eine einzelne Ameise schaffte es dem Team zufolge, ganze 64 Hindernisse hintereinander aus dem Weg zu räumen.
Schwarmintelligenz statt individuellem Plan
"Die Ergebnisse legen nahe, dass unsere erste Annahme falsch war: Es ist nicht so, dass einzelne Ameisen die Gesamtsituation verstehen", erklärt Co-Autorin Danielle Mersch. "Jede Ameise folgt einfachen Regeln und chemischen Signalen, ohne das große Ganze verstehen zu müssen. Die scheinbar geplante Handlung entsteht durch das Zusammenspiel vieler Individuen."