Wie genau nimmt ein anderes Wesen die Welt wahr? Eine einfache Frage, auf die es keine einfache, wahrscheinlich sogar gar keine Antwort gibt. Das Phänomen kann man sich anhand eines simplen Gedankenexperiments klarmachen. Zwar wissen wir, dass ein anderer Mensch, der über sein Augenlicht verfügt, die Blüte einer Kornblume sehen kann und dass er ihre Farbe – ebenso wie wir – wohl als blau bezeichnen würde. Doch wir können nicht in den Kopf des anderen schauen, haben keine Gewissheit darüber, ob er oder sie das Blau genauso empfindet wie wir. Nicht ausgeschlossen, dass die Farbe Blau im Bewusstsein unseres Gegenübers sich so ausnimmt wie Violett oder Rot in unserem eigenen Geist – oder auch als eine völlig fremde Farbempfindung, wie wir sie uns gar nicht vorstellen können.
Noch schwieriger wird es natürlich, wenn wir uns die Frage stellen, wie eine andere Spezies die Welt wahrnimmt. Ein Tier etwa, das anders gestaltete Sinnesorgane besitzt als wir Menschen. Und das einen Teil des Lichtspektrums registriert, der für uns unsichtbar ist. Eine Honigbiene zum Beispiel. Die emsigen Insekten betrachten ihre Umgebung durch Komplexaugen, die aus zahlreichen winzigen Einzelaugen (Ommatidien) zusammengesetzt sind. Und sie können – im Gegensatz zu uns – ultraviolettes Licht wahrnehmen. Ihre Rezeptoren für UV-Licht sind sogar zehnmal so empfindlich wie zwei weitere, in den Bienenaugen sitzende Rezeptor-Typen, zuständig für grünes und blaues Licht.
Auf ihren Erkundungsflügen suchen Bienen daher oft nach ultraviolett leuchtenden Gebilden, die auf verlockende Nahrungsquellen schließen lassen: Blüten. Diese Schauapparate der Pflanzen haben sich in einem Jahrmillionen langen Prozess der Koevolution so geformt, dass Insekten sie besonders gut wahrnehmen und sich von ihnen angezogen fühlen: Das Gewächs spendet Nektar und Pollen – und wird im Gegenzug bestäubt. Und da ultraviolettes Licht für Insekten wie Bienen eine so bedeutende Rolle spielt, hüllen viele Pflanzen ihre Blüten nicht nur in jene Farbpalette, die das menschliche Auge sehen kann, sondern auch in UV-Muster, die uns verborgen bleiben.
Diese für uns geheime florale Welt macht Fotograf Craig P. Burrows mit einer aufwändigen Technik sichtbar. In einem völlig abgedunkelten Studio bestrahlt der in Südkalifornien arbeitende Künstler Blüten mit UV-Licht, regt sie so zur Fluoreszenz an und fängt diese Strahlung mit seiner Kamera auf. Die Blüten, die der Lichtbildner auf diese Weise in Szene setzt, erscheinen fremd und bezaubernd zugleich. Die Aufnahmen, zu bestaunen in dem gerade veröffentlichten Bildband "Die Verführung der Biene", offenbaren filigrane Zeichnungen – Pünktchen, Striche, Adern – und vermitteln eine Ahnung davon, wie betörend die entsprechenden Blüten in den Augen von Bienen erscheinen. Zumindest, soweit es uns überhaupt möglich ist, in die Sinnes- und Wahrnehmungswelt der Insekten einzutauchen.