Inhaltsverzeichnis
Kunst und Innovation
Als sich die nördlichen Niederlande Ende des 16. Jahrhunderts von spanischer Krone und Katholizismus lossagen, entsteht dort erstmals in der Geschichte ein gewaltiger Markt für Kunst – Bürger fast aller Schichten kaufen Gemälde. Die Maler formen neue, alltagsnahe Genres, zeigen heimische Landschaften, Stillleben, Szenen des bürgerlichen Daseins, verfeinern den präzisen Stil ihrer Vorläufer, stellen sich der Konkurrenz durch kompositorische und maltechnische Innovation. Im Süden, noch von Adel und Klerus beherrscht, kultivieren Künstler dagegen den flämischen Barock.
1369
Juni.
Herzog Philipp der Kühne von Burgund – einem Fürstentum im Osten des heutigen Frankreich – heiratet Margarete von Male, die Tochter und Erbin des Grafen von Flandern, zu dessen Territorium neben Flandern weitere Teile der Niederlande (der niedrig gelegenen Mündungsgebiete von Rhein, Maas und Schelde) gehören, etwa Artois und die Städte Antwerpen und Mecheln. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts fallen auch die Provinzen Holland, Seeland, Hennegau, Luxemburg und Brabant an Burgund.
um 1425
Der niederländische Maler Jan van Eyck tritt in den Dienst Philipps des Guten, Herzog von Burgund, und lässt sich bald darauf in Brügge nieder. Seit dem 14. Jahrhundert ist die Stadt einer der wichtigsten Handelsplätze Europas. Metropolen wie Brügge und Antwerpen machen die Niederlande neben Italien zur wirtschaftlich fortschrittlichsten Region auf dem Kontinent – und durch ihre Steuern den burgundischen Hof zu einem der reichsten des Zeitalters.
Der Hof zieht viele Künstler an, neben van Eyck etwa auch Rogier van der Weyden und Robert Campin. Die Werke dieser "altniederländischen" Meister, zu denen ebenso Hieronymus Bosch zählt, machen die niederländische Malerei erstmals über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Mit ihrer detailreichen Darstellungsweise, den leuchtenden Farben und sehr realistisch wirkenden Bildmotive begründen sie eine Maltradition, an welche die Künstler des Goldenen Zeitalters später anknüpfen.
1477
19. August.
Maria von Burgund, die Erbin des Herzogs Karl des Kühnen, heiratet den Habsburger Maximilian von Österreich, den Sohn Kaiser Friedrichs III. Ihr Mann, der später selber Kaiser wird, übernimmt die Regentschaft in Burgund und damit auch über die niederländischen Provinzen.
1515
5. Januar.
Maximilian I. ernennt seinen 15-jährigen Enkel Karl zum Herzog von Burgund. 1516 wird Karl zum König von Spanien, drei Jahre später wählen ihn die deutschen Kurfürsten als Karl V. zum römischdeutschen König; kurz darauf übernimmt er auch den Kaisertitel.
um 1519
Der Flame Joachim Patinir vollendet sein Bild "Landschaft mit dem Hl. Hieronymus". Während der Heilige auf eine kleine Figur im verdunkelten Vordergrund reduziert ist, türmen sich über ihm bizarre Felsformen, erstreckt sich hinter ihm eine weite Ebene von Wiesen und Wäldern. So macht Patinir erstmals die Landschaft zum wichtigen Bildinhalt – eine Tendenz, die die späteren niederländischen Maler fortentwickeln werden.
1523
In Brüssel werden zwei Mönche verbrannt, weil sie die Lehren Luthers gepredigt haben. Immer härter unterdrückt Kaiser Karl V. die protestantischen Bestrebungen.
1543
September.
Karl V. erobert das Herzogtum Gelderland, nachdem er zuvor schon Friesland und Utrecht seinen Besitzungen hinzugefügt hat. Damit sind für die folgenden knapp vier Jahrzehnte erstmals alle 17 niederländischen Provinzen unter einer Herrschaft vereint.
1551
Pieter Bruegel der Ältere, geboren in einem Dorf in Brabant, wird Meister in der Malerzunft von Antwerpen, das inzwischen eine der bedeutendsten Kunststädte Nordeuropas ist. Bruegel entwickelt schnell eigene künstlerische Motive: Er malt vor allem atmosphärische Landschaftsansichten und anekdotische Szenen aus dem Bauernalltag – Themen, die so bis dahin nur in der Buchmalerei vorgekommen sind. Zahlreiche Künstler lassen sich von seinen Bildideen inspirieren.
1555
25. Oktober.
In Brüssel ernennt Karl V. seinen Sohn Philipp II. zum Regenten der Niederlande. Als der Kaiser kurz darauf abdankt, erhält Philipp die spanische Krone, die Niederlande und die habsburgischen Besitzungen in Italien, sein Onkel Ferdinand I. den Kaisertitel und deutsche Ländereien. Als Regierungssitz wählt der 1527 in Spanien geborene Philipp die Stadt Madrid.
um 1560
Die "kleine Eiszeit" erreicht ihren Höhepunkt, sie wird für die kommenden Generationen das Klima Mittel- und Nordeuropas prägen. In den Niederlanden führen die langen Winter und feuchten Sommer zu Missernten. Lebensmittel werden teurer, Arbeitslosigkeit, Armut und Krankheiten breiten sich aus. Bauern und Grundbesitzer beginnen nun zunehmend, die Landwirtschaft zu modernisieren: Sie legen Landstriche trocken, züchten neue Feldfrüchte und investieren in die profitable Viehzucht. Günstiges Getreide wird aus dem Ostseeraum importiert. Neben der Heringsfischerei und dem Tuchgewerbe blüht vor allem der Handel auf. Während große Teile Europas Hunger leiden, bricht in den Niederlanden ein goldenes ökonomisches Zeitalter an.
1561
Der Reformator Guy de Brès veröffentlicht die calvinistische Bekenntnisschrift "Confessio Belgica". Zwar sind die meisten Niederländer noch katholisch, doch der Calvinismus, eine sehr rigorose Glaubensrichtung, die sich scharf von der römischen Kirche distanziert, wird zur bevorzugten Konfession der Mittel- und Oberschicht. Da die habsburgischen Landesherren mit aller Gewalt die Papstkirche verteidigen, ist der Protestantismus ein politisches Bekenntnis.
1566
5. April.
In einem Brief an die habsburgische Statthalterin Margarete von Parma, die Halbschwester Philipps II., fordern niederländische Adelige, dass der Herrscher die harsche Verfolgung von Calvinisten als Ketzer beendet und die "Generalstaaten" (die Ständeversammlung der Niederlande) zur Neuregelung des Religionskonfliktes einberuft.
10. August.
In Westflandern, später in Brabant, Holland und anderen Landesteilen brechen Bilderstürme aus: Angestachelt von calvinistischen Predigern, plündern teilweise bewaffnete Gruppen katholische Kirchen, zerstören Altarbilder und Heiligenfiguren.
1567
August.
Der Herzog von Alba erreicht mit 10.000 Soldaten Brüssel: Auf Befehl Philipps II. ist er der neue Statthalter der Niederlande. Alba schlägt den Aufstand brutal nieder. Mehr als 1000 Todesurteile werden verhängt, etwa 60.000 Niederländer flüchten ins Ausland.
1568
Oktober.
Prinz Wilhelm von Oranien, ehemaliger Statthalter der Provinzen Holland und Seeand und Erbe des bis heute einflussreichen Fürstenhauses Oranien-Nassau, führt eine Rebellenarmee nach Brabant. Der Feldzug scheitert, da die Spanier sie ins Leere laufen lassen, bis der Winter kommt und das Geld knapp wird. Bereits im Frühjahr war eine Armee unter zwei Brüdern Wilhelms von Albas Truppen geschlagen worden. Diese Vorstöße sind der Beginn des 80 Jahre währenden Unabhängigkeitskrieges der Niederlande.
1569
März.
Als der Herzog von Alba zur Finanzierung seiner Armee eine Umsatzsteuer einführen will, entflammt ein blutiger Aufstand, der erneut von Prinz Wilhelm von Oranien angeführt wird.
1572
Mit aller Gewalt unterdrückt der Herzog von Alba die Aufstände: Mecheln und Zutphen werden geplündert, in Naarden fast alle Einwohner von den habsburgischen Soldaten getötet. Nur die protestantischen Provinzen Seeland und Holland kämpfen unter der Führung Wilhelms von Oranien weiter.
1575
Pieter Aertsen stirbt in Amsterdam. Der Maler hat zuvor hier und in Antwerpen vor allem Markt- und üppigen Ansammlungen von Fischund Fleischwaren entworfen, die als Vorläufer der Stilllebenmalerei gelten – der ästhetischen Komposition von unbelebten Gegenständen.
1576
4. November.
Die Kämpfe im Reich haben Spanien in den Bankrott getrieben: Philipp II. kann seine Soldaten seit Monaten nicht mehr bezahlen. Daraufhin plündern marodierende spanische Truppen Antwerpen. 8000 Menschen sterben.
8. November.
Abgesandte aller 17 niederländischen Provinzen beschließen die Vertreibung der spanischen Truppen und fordern ein größeres Selbstbestimmungsrecht. Doch der religiöse Konflikt zwischen dem eher katholischen, habsburgtreuen Süden und dem protestantischen Norden droht das Bündnis zu zerbrechen.
1579
6. Januar.
Die Südprovinzen Hennegau und Artois verhandeln mit Spanien und bekennen sich in der "Union von Arras" zu Katholizismus und habsburgischer Herrschaft.
23. Januar.
Unter anderem Holland und Seeland gründen die "Union von Utrecht" und erklären 1581 endgültig ihre Unabhängigkeit von Spanien. Da immer mehr Städte und Provinzen den beiden Bündnissen beitreten, zerfällt das einstige burgundische Reich in einen de facto selbstständigen Staatenverbund im Norden und einen spanisch regierten Süden.
1583
Der flämische Maler Karel van Mander zieht wegen der Tumulte in seiner Heimat in die nördliche Provinz Holland, lässt sich mit seiner Familie in Haarlem nieder und gründet dort mit einem Kollegen eine Kunstakademie, an der später der bedeutende Porträtist Frans Hals Schüler sein wird.
1584
10. Juli.
In Delft ermordet ein katholischer Radikaler Wilhelm von Oranien. Die Abgesandten der sieben nördlichen Provinzen bieten dem französischen König Heinrich III. die Regentschaft an, werden aber abgewiesen. Als sie daraufhin England um Hilfe bitten, entsendet Königin Elisabeth I. eine Armee, um die niederländischen Truppen gegen die Spanier zu unterstützen.
1585
In Flandern und Brabant werden die letzten calvinistisch regierten Städte von den Habsburgern unterworfen. 200.000 Menschen aus dem gesamten Süden, zumeist Protestanten, gehen um diese Zeit ins Exil – drei Viertel davon in den Norden der Niederlande.
Unter den Flüchtlingen befinden sich auch zahlreiche Künstler. Für sie bieten sich jedoch in den bürgerlichprotestantisch geprägten nördlichen Landen zunächst kaum Perspektiven: Die zuvor üblichen Aufträge aus kirchlichen und adeligen Kreisen bleiben aus, der Calvinismus verbietet religiöse Bilder.
Doch nach und nach entwickelt sich ein in seiner Art und Größe vollkommen neuartiges Phänomen, das das Goldene Zeitalter der niederländischen Kunst begründen wird: eine Hochkonjunktur des Kunstmarktes.
Gerade in der Mittelschicht der prosperierenden nördlichen Provinzen nimmt die Nachfrage nach Bildern in den folgenden Jahren stetig zu, und die Künstler stellen sich mit neuen, weltlichen und lebensnahen Themen darauf ein. Neben Porträts, die sich geltungsbewusste Bürger kaufen, werden Landschaften, Seestücke, Stillleben und Szenen aus dem Alltag beliebt – Genres, die es so zum Teil zuvor gar nicht gegeben hat. Durch die große Konkurrenz entwickeln die Künstler neuartige Kompositionen, üben sich im innovativen Umgang mit Licht und Schatten, perfektionieren die Malweise ihrer Vorgänger.
1588
Die Provinzen Holland, Seeland, Utrecht, Gelderland, Friesland und Overijssel erklären sich zur Republik der Vereinigten Niederlande. Sechs Jahre später tritt auch Groningen dem föderalistischen Verbund bei. Die "Generalstaaten" genannte Vertretung der meist bürgerlichen Provinzregierungen tagt in Den Haag.
Eines der wichtigsten Ämter ist das des "Statthalters". Der wird von den Ständen (also von den Parlamenten der einzelnen Provinzen und nicht mehr wie zuvor vom Monarchen) ernannt und hat im Kriegsfall den militärischen Oberbefehl. Im modernen Sinne "republikanisch" ist das neue Staatsgebilde aber nicht, es gibt etwa weder Wahlen noch eine Verfassung.
28. Mai.
Die spanische Kriegsflotte verlässt Lissabon. Um die protestantische Allianz zwischen Elisabeth I. und den Niederlanden zu zerstören, soll die Armada England angreifen und dort eine katholische Regierung installieren. Doch britische und niederländische Schiffe sowie mehrere Stürme zerstören die Geschwader des spanischen Königs. Als Philipp II. ein Jahr später seine Soldaten aus Flandern abkommandiert, um in Frankreich zu intervenieren, erobern die Vereinigten Niederlande immer mehr Gebiete nördlich des Rheins sowie Teile Brabants zurück.
1599
Erzherzog Albrecht VII., der neue Statthalter der Spanischen Niederlande, und seine Frau Isabella Clara Eugenia versuchen die nach Bildersturm und andauernden Kämpfen geschwächte Kunstlandschaft im Süden wieder aufzubauen. Sie engagieren eine große Zahl von Malern, Baumeistern und Bildhauern und vergeben Aufträge für Gemälde, Skulpturen, architektonische Projekte und Gartenanlagen.
1602
20. März.
In Amsterdam wird die "Vereenigde Oostindische Compagnie" gegründet. Die Aktiengesellschaft, deren Anteile Tausende Niederländer zeichnen, erhält das Monopol auf den Handel mit Südostasien, Indien, Arabien, Persien, später auch China und Japan. Sie importiert Pfeffer, Muskat und Nelken, Kaffee, Silber und Seide und ordnet zur Erweiterung und Sicherung ihrer Handelsrouten oft den Einsatz von Waffen an. Ihr Hauptsitz in Übersee ist die Stadt Batavia auf Java.
1604
Karel van Mander veröffentlicht das "Schilder-Boeck" ("Malerbuch"). Darin beschreibt er die "Grundzüge der feinen Malkunst" und präsentiert unter anderem eine Sammlung von Biografien niederländischer Maler des 15. und 16. Jahrhunderts. Diese Bestandsaufnahme ist als Orientierungshilfe für die vielen aufstrebenden neuen Maler des Goldenen Zeitalters gedacht und würdigt erstmals umfassend die Kunst der Niederlande.
1607
25. April.
Vor Gibraltar besiegt eine niederländische Flotte Spaniens Armada.
1608
Der Maler Peter Paul Rubens kehrt nach einem achtjährigen Studienaufenthalt in Italien nach Antwerpen zurück. In seiner großen Werkstatt, die er kurz darauf gründet, arbeiten zahlreiche Künstler, die auf bestimmte Teilmotive spezialisiert sind. Die großformatigen Werke entstehen nach den Entwürfen von Rubens in Gemeinschaftsproduktion, erst am Schluss gibt der Meister den Bildern den letzten Schliff.
1620 erhält Rubens den ehrenvollen Auftrag, die Antwerpener Jesuitenkirche auszustatten. 39 Deckengemälde mit voluminösen Szenen, dynamischen Bewegungen und emotionaler Strahlkraft schmücken ihren Innenraum, bis sie 1718 einem Brand zum Opfer fallen. Zu Rubens' Mitarbeitern bei diesem Zyklus gehört auch Anthonis van Dyck, der bald darauf mit großfigurigen und gleichzeitig feinsinnigen Porträts berühmt wird. Gemeinsam mit Jacob Jordaens prägen Rubens und van Dyck den flämischen Barock.
1609
Januar.
Gründung der Amsterdamer Wechselbank. Kaufleute aus aller Welt können hier Konten einrichten und bargeldlose Überweisungen vornehmen. Vor allem aber gibt das Institut Wechsel gegen alle europäischen Währungen aus, die wiederum überall auf dem Kontinent in Bargeld eingetauscht werden können. Damit erleichtert die Bank erheblich den internationalen Handel. Amsterdam wird daraufhin zum wichtigsten europäischen Finanzzentrum.
9. April. Da keine Seite mehr nennenswerte militärische Erfolge erzielt und die Kämpfe die Kontrahenten finanziell auszehren, vereinbaren die Vereinigten Niederlande und Spanien einen Waffenstillstand für zwölf Jahre.
1611
In Delft und Utrecht schließen sich Künstler zu eigenen Gilden zusammen, die die Malerei fördern sollen. Bald schon gibt es in jeder größeren Stadt des Nordens eine dieser Zünfte, die nach dem Heiligen Lukas benannt sind, dem Patron der Maler. Ähnlich wie bei anderen Gewerben organisieren die Lukasgilden die Ausbildung, regeln, wer als Maler verkaufen darf, und kontrollieren den Markt. Die Gilden fördern ortsansässige Künstler, indem sie Importe von außerhalb erschweren – etwa aus den südlichen Niederlanden.
um 1620
In der Republik hat sich die Zahl der Künstler seit der Jahrhundertwende vervierfacht. Viele junge Leute streben inzwischen eine Lehre bei einem der Meister an. Allein in Den Haag arbeiten nun an die 200 Maler. Der Wettbewerb unter den Künstlern steigt und fördert Innovation.
1621
April.
Nach Ablauf des Waffenstillstands mit Spanien beginnt der militärische Konflikt zwischen den Vereinigten Niederlanden und den Habsburgern von Neuem.
3. Juni.
Im Kampf um den von Spaniern und Portugiesen dominierten Handel mit Amerika und Afrika gründen Niederländer die "Westindische Kompanie". Ein wichtiger Handelszweig wird der Zuckerimport aus Brasilien; allein in den über 40 Raffinerien Amsterdams arbeiten mehr als 1000 Menschen.
um 1628
Der Haarlemer Frans Hals malt das Bild "Der fröhliche Trinker". Während Porträts zuvor vor allem repräsentative Funktionen hatten, erfasst Hals nun weniger ehrenhafte, zugleich aber auch authentischere Lebensäußerungen wie Freude, Rausch, Übermut. Seine Malweise ist revolutionär: Er arbeitet mit schnellen Pinselstrichen, die am Ende sichtbar bleiben und das Bild optisch vibrieren lassen. Bald ist er einer der gefragtesten Porträtmaler des Nordens und bekommt Aufträge von reichen Kaufleuten sowie von Schützengilden. So wie Hals entwickeln in dieser Zeit viele niederländische Künstler die Porträtkunst weiter.
1637
Februar.
Nachdem viele Niederländer in den Jahren zuvor mit Tulpenzwiebeln spekuliert und die Preise für die begehrten exotischen Pflanzen in extreme Höhen getrieben haben, bricht der Markt zusammen. Zahlreiche Händler stehen vor dem Ruin.
Während des Tulpenbooms erzielten auch Blumenstillleben von Künstlern wie Ambrosius Bosschaert und Balthasar van der Ast hohe Preise.
1641
9. Dezember.
Der Tod von Anthonis van Dyck (sowie von Peter Paul Rubens im Jahr zuvor) bedeutet das Ende einer Ära in der Malerei der südlichen Niederlande. Antwerpen, bis dahin noch immer eine wichtige Kunstmetropole, verliert nun gegenüber dem Norden an Bedeutung.
In der Republik dagegen erfährt der Kunstmarkt abermals einen Aufschwung. Hunderte von Malern arbeiten inzwischen derart gekonnt und effizient, dass sie durchschnittlich zwei Bilder pro Woche von oft erstaunlicher Qualität erschaffen. In nahezu jedem Haushalt hängen Kunstwerke. Die Bilder werden auf Märkten, Auktionen und in Galerien feilgeboten und kosten manchmal nur einen Gulden: den Tageslohn eines Arbeiters.
1642
Der Amsterdamer Maler Rembrandt van Rijn vollendet die "Nachtwache". Dieses überlebensgroße Gruppenbild einer Bürgerwehr, als Repräsentationsstück für den Hauptsitz der Miliz bestellt, zeigt Rembrandts außergewöhnliche Fähigkeit, große Gruppen dramatisch und dynamisch in Szene zu setzen. Die Bandbreite der dargestellten Körperbewegungen sowie die lebhafte Aufbruchsstimmung des Bildes sind für ein Gruppenporträt vollkommen neuartig. Der 36-Jährige steht auf dem Höhepunkt seiner Karriere, erhält hochrangige Aufträge. Schon seit Langem lassen sich zahlreiche Schüler bei ihm ausbilden – für das hohe jährliche Lehrgeld von 100 Gulden.
1648
30. Januar.
Auf dem Westfälischen Kongress zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges verständigen sich Spanien und die Vereinigten Niederlande nach rund 80 Jahren Kampf auf einen Frieden. Das bedeutet die Anerkennung der niederländischen Unabhängigkeit durch Spanien sowie den Austritt der Nordprovinzen aus dem Heiligen Römischen Reich. Die südlichen Niederlande werden dagegen bis 1794 unter habsburgischer Herrschaft bleiben. Die Grenzen der Republik entsprechen in etwa denen der heutigen Niederlande mit Teilen der Provinz Limburg als Exklaven.
1650
30. Juli.
Wilhelm II. von Oranien, Statthalter der Niederlande, will den Krieg gegen den Erzfeind Spanien wieder aufnehmen, um seine Allianz mit den französischen und englischen Königshäusern zu stärken. Die Abgeordneten der Ständeversammlung wollen hingegen Frieden und planen, die Armee zu verkleinern. Als Holland, die reichste Provinz, eigenmächtig die Soldzahlung an manche der auf ihrem Gebiet stationierten Soldaten einstellt, lässt Wilhelm in Den Haag sechs holländische Abgeordnete verhaften, scheitert aber beim Versuch, Amsterdam zu besetzen. Nach dem plötzlichen Tod Wilhelms am 6. November beruft die holländische Provinzregierung eine außerordentliche Versammlung der Abgeordneten ein, die im folgenden Jahr eine Staatsreform beschließen: Die Provinzstände erhalten größere Eigenständigkeit, etwa den Oberbefehl über die auf ihrem Gebiet stationierten Soldaten, das Amt des Statthalters wird abgeschafft. Dominierender Politiker der Niederlande in den folgenden zwei Jahrzehnten ist Johan de Witt, der Regierungschef von Holland.
1651
Der Maler Samuel van Hoogstraten erhält vom habsburgischen Kaiser in Wien eine Ehrenmedaille für seine illusionistischen Werke, sogenannte "Trompe-l’OEils" ("Augenbetrüger"). Diese Spielart der Malerei ist van Hoogstratens Spezialität, er wird zu einem der bedeutendsten Künstler des Genres.
Oktober.
Nachdem England vergebens versucht hat, die Niederlande in ein politisches Bündnis zu zwingen, erlässt das englische Parlament eine "Navigationsakte": Einfuhren auf die Britischen Inseln dürfen nur noch von englischen Schiffen oder Frachtern aus dem Herkunftsland der Waren transportiert werden. Das Gesetz ist gegen niederländische Reedereien gerichtet: Die Handelsflotte der Republik ist die bei Weitem größte in Europa und hat den Engländern sogar einen wesentlichen Teil des Geschäfts mit deren Kolonien in Nordamerika abgejagt.
1652
6. April.
Der niederländische Kaufmann Jan van Riebeeck gründet am "Kap der Guten Hoffnung" am Südende Afrikas einen Versorgungsposten für die Flotte der Ostindien- Kompanie. Aus der strategisch günstig gelegenen Handelsstation mit anfangs 90 niederländischen Siedlern entwickelt sich eine große Kolonie, in der sich auch Deutsche und französische Hugenotten ansiedeln – das heutige Kapstadt.
10. Juli.
Nachdem die Republik der Vereinigten Niederlande mit der Aufrüstung ihrer Flotte begonnen hat – als Reaktion auf die englische "Navigationsakte" und Überfälle englischer auf niederländische Schiffe –, erklärt London der Republik den Krieg, der daraufhin vor allem zur See ausgefochten wird. Doch obwohl die niederländische Flotte marode ist und große Verluste hinnehmen muss, können die Engländer die wichtigsten internationalen Schifffahrtsrouten nicht unter ihre Kontrolle bringen. Am 15. April 1654 schließen beide Mächte wieder Frieden.
um 1660
Der Delfter Maler Jan Vermeer erschafft das Bild "Dienstmagd mit Milchkrug", in dem eine Frau mit äußerster Ruhe Milch in eine Schale gießt. Solche Ansichten einer häuslichen Tätigkeit, fernab jeder Störung, sind ab etwa 1650 die Innovation der Delfter Maler um Vermeer, zu denen auch Pieter de Hooch gehört. In den überaus ruhigen Bildern experimentieren sie mit perspektivischen Effekten und veredeln kleinste, alltägliche Handlungen zu kostbaren Geschehnissen – und das buchstäblich: Für das leuchtende Blau im Kleid der "Dienstmagd" etwa wählt Vermeer Ultramarin, hergestellt aus zerstoßenem Lapislazuli.
1662
Der Verleger und Drucker Joan Blaeu veröffentlicht in Amsterdam die ersten Bände seines "Atlas Maior", der insgesamt 594 prächtige Karten sowie Beschreibungen aller zu der Zeit bekannten Länder umfasst und zum größten Buchwerk des 17. Jahrhunderts wird. Blaeu ist seit 1633 auch offizieller Kartograph der Ostindien- Kompanie. Seine detaillierten und kunstvoll hergestellten Kartendrucke sind begehrte Sammlerstücke und werden weltberühmt.
1665
Erneut erklärt England den Niederlanden den Krieg. Auslöser ist diesmal unter anderem ein Streit um das Monopol im Sklavenhandel aus Afrika. 1667 versenken Niederländer englische Militärschiffe auf dem Medway bei Chatham. Im selben Jahr unterzeichnen die Gegner abermals einen Friedensvertrag: London erhält die nordamerikanischen Neuniederlande mit Neuamsterdam, dem späteren New York. Die Engländer ziehen sich dafür aus Indonesien zurück.
1666
11.–14. Juni.
Der Marinemaler Willem van de Velde d. Ä. nimmt an Bord eines Schiffes an der sogenannten "Viertagesschlacht" zwischen den Niederlanden und England teil und dokumentiert das Gesehene in Skizzen, um möglichst realistische, historisch authentische Vorlagen für seine Seestücke zu erhalten. Sein Sohn Willem van de Velde d. J. wird später für seine Gemälde intensiv die atmosphärischen Effekte von Wind, Wasser und Licht studieren und die niederländische Marinemalerei so auf ihren Höhepunkt führen. Auch andere Genres werden von ihren Malern im Laufe des 17. Jahrhunderts immer weiter verfeinert.
um 1668
Der Haarlemer Jacob van Ruisdael malt das Bild "Die Mühle von Wijk bei Duurstede", in dem er die flache Landschaft Hollands und eine geradezu majestätische Windmühle vor einer Stadt feiert. Ruisdael gilt neben Jan van Goyen als einer der bedeutendsten Erneuerer der Landschaftsmalerei, die erst in der Frühzeit des Goldenen Zeitalters zu einem eigenständigen Genre geworden ist – zuvor lieferte sie vor allem die Kulisse für historische oder allegorische Szenen.
Anders als die vor Menschen wimmelnden Naturansichten der frühen Bruegel-Nachfolger und die in ähnlichen Tönen gehaltenen Darstellungen der 1630er und 1640er Jahre dramatisieren Ruisdaels Werke die Landschaften nun eindrucksvoll mit geschicktem Lichtspiel, kontrastreicheren Farben und monumentalen Kompositionen.
1669
4. Oktober.
Rembrandt van Rijn stirbt in Amsterdam. Inzwischen ist die Anerkennung für die Kunst des einstigen Favoriten gesunken. Seine vor allem in seinen späten Bildern dick aufgetragenen Farbschichten und die lebensnahe, oft grobe Darstellung seiner Protagonisten entsprechen nicht mehr dem Zeitgeist. Glattere Oberflächen, prunkvollere Sujets und klassische Gestaltungsprinzipien wie die antike Proportionslehre finden nach und nach Eingang in die Malerei. Künstler blicken für Inspiration nun wieder häufiger zurück auf große italienische Meister wie Raffael, Michelangelo oder Tizian.
1672
Die vielen Krisen dieses "Rampjaars" (Katastrophenjahrs) bringen die Republik an den Rand des Untergangs. Viele Historiker sehen das Jahr als Wendepunkt an – und als den Anfang vom Ende des Goldenen Zeitalters der Niederlande.
24. Februar.
Angesichts eines drohenden Überfalls Frankreichs bestimmen die Vereinigten Niederlande Prinz Wilhelm III. von Oranien zum Oberbefehlshaber ihrer Truppen auf Lebenszeit. Kurz darauf wird er in fünf Provinzen zum Statthalter ernannt, darunter in Holland und Seeland.
6. April. Ludwig XIV. von Frankreich erklärt den Niederlanden den Krieg. Die protestantische Republik steht den europäischen Expansionsplänen des absolutistischen Königs im Weg. Im Juni erreicht eine französische Armee von 130 000 Mann den Niederrhein; zuvor haben bereits die mit den Franzosen verbündeten Engländer niederländische Schiffe angegriffen.
20. August. Die überlegenen französischen Truppen erobern eine niederländische Festung nach der anderen. Erst die Öffnung der Deiche und damit die Überflutung niedrig gelegener Landstriche durch die Niederländer kann den Vormarsch kurz vor Amsterdam stoppen. Wegen der katastrophalen militärischen Situation werden Johan de Witt, der kurz zuvor als Provinz-Regierungschef zurückgetreten ist, und sein Bruder in Den Haag von einer wütenden Menge gelyncht.
1673
11. August. In einem elfstündigen Gefecht vor der holländischen Küste versenkt die niederländische Flotte einen Verband englischer und französischer Schiffe. London unterschreibt daraufhin ein Friedensabkommen. Unterstützt von Spanien und dem Kaiser, erobert die niederländische Armee unter Wilhelm III. immer mehr Gebiete zurück. Am 10. August 1678 akzeptiert Ludwig XIV. den "Frieden von Nimwegen".
Die Niederlande sind wieder frei – stehen aber am Abgrund: Land und Wirtschaft liegen nach den Kämpfen brach. Viele Städte sind geplündert, ihre Räte geflüchtet oder abgesetzt, die Menschen verunsichert durch inneren Streit zwischen Republikanern und Anhängern der Oranien-Dynastie. Gewinner des Krieges ist der Statthalter Wilhem III. von Oranien, der fortan mehr Macht besitzt als all seine Vorgänger: Er installiert im einflussreichen Holland ihm genehme Beamte und gebietet über eine starke Armee. Doch nimmt auch die Opposition gegen ihn zu.
1675
15. Dezember. Jan Vermeer wird beerdigt. Zuletzt hat der Maler, wie viele andere niederländische Künstler, wegen der kriegsbedingten Wirtschaftskrise kaum noch Bilder verkauft. Seiner Familie hinterlässt er enorme Schulden. Mit dem ökonomischen Niedergang kommt so auch das Ende des Goldenen Zeitalters der niederländischen Kunst, dessen treibende Kraft der Kunstmarkt war. Nach Vermeer gibt es keinen Maler mehr, der auf so herausragende Weise die Epoche prägt. Die – neben der schieren Menge an meisterhaften Werken – für das Goldene Zeitalter so charakteristische Individualität der Malerei weicht in den folgenden Jahrzehnten einem zunehmend homogenen Stil. Nun sind vor allem dekorative Historiengemälde gefragt, ausgeführt in eleganter französisch-akademischer Manier.
1677
4. November.
Wilhelm III. von Oranien heiratet eine Nichte des englischen Königs Karl II. Die Ehe begründet ein dauerhaftes Bündnis zwischen den Niederlanden und England.
1688
5. November.
Auf Einladung mehrerer Mitglieder des Londoner Oberhauses landet Wilhelm III. von Oranien mit einer Armee in Devon. Er ist von den Parlamentariern um Hilfe gebeten worden, die fürchteten, der eng mit Ludwig XIV. verbündete katholische König Jakob II. wolle in England mit Hilfe der Franzosen eine absolutistische katholische Monarchie etablieren. Wilhelm besiegt die Anhänger Jakobs (der nach Frankreich flieht) und wird im Jahr darauf vom Parlament in London zum König von England proklamiert. In Personalunion übt Wilhelm bis zu seinem Tod weiterhin das Amt des Statthalters in fünf niederländischen Provinzen aus.
1701
1. November.
Der spanische König Karl II. stirbt kinderlos. Aus dem Streit um seine Thronfolge entwickelt sich ein auf drei Kontinenten ausgefochtener Krieg zwischen Frankreich und einer Koalition Englands mit den Niederlanden und dem Habsburger- Kaiser. Erst 1713 schließen England und die Niederlande Frieden mit Ludwig XIV.
1715
Winter.
Die niederländische Staatskasse wird für neun Monate geschlossen – sie ist bankrott. Die einst prosperierende Wirtschaftsmacht stagniert: Der wachsende Protektionismus in Europa und die zunehmende Konkurrenz lähmen den Handel, viele Großbetriebe müssen schließen, etwa Tuchfabriken und Werften. Sinkende Getreidepreise lassen die Einkommen schrumpfen, führen so zu geringerer Nachfrage sowie Arbeitslosigkeit. Die Mittelschicht verarmt, viele Städte entvölkern sich.
Ebenso dramatisch sind die politischen Konsequenzen: Mit der Wirtschaft schrumpfen auch Armee und die Kraft des Staates. Die Niederlande verlieren den Status einer Großmacht, das Goldene Zeitalter ist endgültig vorüber; für die nächsten 80 Jahre sind sie eine neutrale Mittelmacht im Schatten der um sie herum wachsenden Nationalstaaten.
Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird das Land reformiert, und die Wirtschaft erholt sich.
1718
Arnold Houbraken veröffentlicht den ersten Teil eines mehrbändigen Verzeichnisses niederländischer Maler, ihrer Werke und Biografien. Die Schrift mit dem Titel "Die große Schauburg der niederländischen Maler und Malerinnen" dokumentiert ausführlich das Schaffen von Künstlern sowohl der nördlichen als auch der südlichen Niederlande.
Das Werk liefert nicht nur einen hul- digenden Rückblick auf eine glorreiche Zeit, sondern wird in den kommenden Jahrhunderten auch zu einem Schlüsseldokument für die Erforschung der niederländischen Malerei des Goldenen Zeitalters.
Die Kunsthistorikerin Julia Eckhardt, 27, ist die Fachberaterin dieses Heftes. Ihr Kollege Carsten Juwig, 37, lebt ebenfalls in Hamburg.