Neue Grabungen Was eine antike Wartebank über das Leben in Pompeji verrät

Ruinen des zerstörten Pompeji vor Geburge
Im Jahr 79 n. Chr. brach der Vesuv aus und zerstörte das antike Pompeji. Heute sind rund zwei Drittel der verschütteten Stadt ausgegraben
© Luis Pina/robertharding / Getty Images
Forschende haben am Haupteingang der berühmten Mysterienvilla in Pompeji eine Wartebank freigelegt. Die Sitzgelegenheit gibt Erstaunliches über die Stadtgesellschaft preis

Ob prächtige Bankettsäle, Luxusbäder oder Fresken: Immer wieder stoßen Archäologinnen und Archäologen in Pompeji am Golf von Neapel auf spektakuläre Funde. Dagegen wirkt die neueste Entdeckung weit profaner: Es handelt sich um eine Wartebank. Und doch gibt sie Einblicke in das soziale Gefüge und den Alltag in der antiken Stadt, die im Jahr 79 n. Chr. durch den Ausbruch des Vesuvs komplett zerstört wurde.

Forschende legten die Bank aus zerkleinerter Keramik und Kalkmörtel bei Grabungsarbeiten am Haupteingang der berühmten Mysterienvilla frei. Das Gebäude, heute eines der meistbesuchten Häuser im archäologischen Park Pompejis, befindet sich ganz im Westen, außerhalb der Stadtmauern. 

Mysterienvilla: Warten auf den Einlass

Die Villa mit einem angeschlossenen Flügel für die Weinherstellung geht auf das 2. Jahrhundert v. Chr. zurück. In den Jahren 80 bis 70 v. Chr. ließen die – sehr wohlhabenden – Hausherren den Komplex kräftig umbauen und in einem Saal im Wohnbereich den sogenannten Mysterienfries erschaffen: Die Eigentümer ergötzten sich hier an großflächigen Malereien, über deren Deutung die Wissenschaft bis heute rätselt. Darauf zu sehen: Dionysos, der Gott des Weines, thronend neben einer weiblichen Gefährtin, rituelle Auspeitschungen und nackte Personen in entfesseltem Tanz – offensichtlich ein kultisches Ritual. 

Farbenprächtiges Fresko
Farbenpracht: Drei Wände im Mysteriensaal sind durchgehend mit einem großen Freskenbild geschmückt. Es zählt zu den besterhaltenen Malereien der Antike
© font83 / Getty Images

Während die Hausherren dem Luxus frönten und vom Mysteriensaal aus auf das Meer blickten, sammelten sich vor der Villa am Vormittag ihre Klienten – und zwar an der Wartebank vor dem Hauseingang. Es handelte sich um Menschen von niedrigerem sozialen Status, um Tagelöhner, Handwerker, Händler. Hat der Villenbesitzer vielleicht Jobs zu vergeben? Lassen sich mit ihm Geschäfte machen? Kann man ihn für ein Darlehen gewinnen? Oder als gewichtigen Unterstützer bei den nächsten Wahlen zur Stadtverwaltung? Mit Anliegen wie solchen wandten Klienten sich wohl an Pompejis Elite.

Feste Termine hatten die Bittsteller nicht, sie schauten auf gut Glück in der Mysterienvilla vorbei. "Während der langen Stunden des Wartens wusste man nie, ob der Hausherr einen an diesem Tag empfangen würde", erklärt Gabriel Zuchtriegel, Direktor des Archäologischen Parks von Pompeji, in der neuen Ausgabe des E-Journals "Scavi di Pompei". "Vielleicht war er am Vorabend bis in die frühen Morgenstunden wach geblieben und wollte lieber schlafen, oder er hatte etwas anderes zu tun."

Einige Klienten vertrieben sich die lange Wartezeit und ritzten mit einem spitzen Gegenstand das Datum des Tages in die Rückwand der Bank, oder auch Namen und runde Zeichen. 

Mauerreste aus unterschiedlichen Steinen
Die antike Wartebank besteht aus zerkleinerter Keramik und Kalkmörtel und befindet sich gegenüber des Haupteingangs der Mysterienvilla
© Archaeological Park of Pompeii

Die Mysterienvilla ist nicht der einzige Gebäudekomplex in Pompeji mit einer Wartebank. Andere Anwesen verfügten ebenfalls über derartige Sitzgelegenheiten. Die Bänke waren Symbole für Ansehen: Je länger die Warteschlange vor einer Villa, desto wichtiger der Hauseigentümer in Pompejis Gesellschaft.

Bereits im Jahr 1909 stießen Archäologen auf die Mysterienvilla. Nun wurden die Forschungsarbeiten wieder aufgenommen, auch um illegale Grabungen in der unmittelbaren Umgebung zu dokumentieren. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Raubgrabungen im Umfeld des archäologischen Parks von Pompeji aufgedeckt. Auf dem Areal, auf dem das Forschungsteam nun die Wartebank fand, hatte lange Zeit zudem ein illegal errichtetes Restaurant gestanden und Grabungsarbeiten blockiert. Mittlerweile wurde das Gebäude abgerissen.

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