Ann Hodges Die wahre Geschichte der Frau, die von einem Meteoriten getroffen wurde

Ann Hodges, ihr Mann (l.) und ein Polizist begutachten am 30. November 1954 das Loch in der Hausdecke, das der Meteorit geschlagen hat, den der Beamte in der Hand hält 
Ann Hodges, ihr Mann (l.) und ein Polizist begutachten am 30. November 1954 das Loch in der Hausdecke, das der Meteorit geschlagen hat, den der Beamte in der Hand hält 
© Courtesy Alabama Museum of Natural History
Am 30. November 1954 knallt ein Geschoss aus dem All in das Haus von Ann Hodges – bis heute bleibt sie der einzige Mensch, der nachweislich von einem Meteoriten verletzt wurde 

Die Fläche der Erde misst rund 510 Millionen Quadratkilometer. Die Fläche eines erwachsenen Menschen misst rund zwei Quadratmeter. Die Gefahr, von einem etwa handballgroßen Gegenstand getroffen zu werden, der aus dem All auf unseren Planeten zurast, liegt für den Einzelnen rein rechnerisch also bei – einer sehr, sehr kleinen Prozentzahl.

Ann Hodges macht gerade ein Nachmittagsnickerchen auf dem Sofa, als der Meteorit durch ihr Dach kracht. Das gut vier Kilogramm schwere und viereinhalb Milliarden Jahre alte Geschoss knallt auf ihr Radio, prallt ab und trifft Hodges an Hand und Hüfte. Stechender Schmerz, Verwirrung – was war das?

Zunächst meinen Hodges und ihre Mutter in all dem Staub und Chaos, der Schornstein sei eingestürzt; dann aber entdecken sie den seltsamen dunklen Brocken auf dem Boden. Sie rufen die Feuerwehr und die Polizei. 

Schnell macht in dem Örtchen im US-Staat Alabama das Wort die Runde, bei den Hodges sei irgendetwas Merkwürdiges passiert. Viele Nachbarn haben kurz vor dem Einschlag einen Feuerstreif am Himmel gesehen; manche dachten an ein abstürzendes Flugzeug.

Kurz nach dem Treffer nehmen Mitarbeiter der U. S. Air Force den Meteoriten mit. Sie wollen sichergehen, dass es sich nicht um etwas anderes handelt, etwa um ein bisher unbekanntes russisches Geschoss. Nachdem klar ist, dass das Objekt wirklich ein Meteorit ist, geben sie es an Ann Hodges zurück
Kurz nach dem Treffer nehmen Mitarbeiter der U. S. Air Force den Meteoriten mit. Sie wollen sichergehen, dass es sich nicht um etwas anderes handelt, etwa um ein bisher unbekanntes russisches Geschoss. Nachdem klar ist, dass das Objekt wirklich ein Meteorit ist, geben sie es an Ann Hodges zurück
© Charles Gorry / AP Photo / picture alliance

Als Hodges Ehemann einige Stunden später von der Arbeit kommt, steht eine Menschenmenge vor seinem Haus. Mitarbeiter der Air Force nehmen den Meteoriten zu Untersuchungen mit. Sie wollen sichergehen, dass der Festkörper wirklich ein Meteorit ist. Und nicht etwa eine Erfindung der Russen, dem großen Gegner im Kalten Krieg. 

Die Nacht nach dem Einschlag verbringt Ann Hodges schlaflos. An ihrer linken Hüfte hat sich ein tellergroßes Hämatom gebildet. Doch ist es wohl eher die Aufregung als die Verletzung, die die 34-Jährige am nächsten Tag ins Krankenhaus gehen lässt. Es sei einiges los gewesen, sagt sie einem Journalisten. Und es kommt noch mehr.

Pro Jahr fallen Zehntausende Meteoriten mit mehr als 100 Gramm Gewicht auf die Erde. Aber die meisten sind winzig, plumpsen unbemerkt ins Meer, in die Wüste, den Vorgarten. Dass ein Mensch von einem Meteoriten getroffen wird, hat man bis Ann Hodges noch nicht gehört. Im Dezember 1954 bringt das "Life Magazine" ihr Foto auf dem Cover. Die Zeile lautet: "A Big Bruiser From the Sky" ("Ein großer Bluterguss vom Himmel").

Die Aufmerksamkeit tut Hodges nicht gut. Ihre ohnehin angeschlagene Gesundheit verschlechtert sich. Dazu muss sie sich auch noch mit ihrer Vermieterin streiten, wem der Meteorit, den ihr die Air Force mittlerweile zurückgegeben hat, denn nun eigentlich gehört. "Ich glaube, Gott hat ihn für mich bestimmt", sagt sie der Presse. "Schließlich hat er mich getroffen!" Am Ende einigen sich die Parteien, dass Hodges den Brocken aus dem All gegen eine Zahlung von 500 Dollar behalten darf. Doch Glück bringt er ihr nicht.

1972 stirbt Hodges mit nur 52 Jahren an Nierenversagen. Bis heute bleibt sie die einzige Person, die nachweislich einen Meteoritentreffer überlebt hat.   

Als sie bestattet wird, ist ihr Meteorit längst im Museum. Bevor sie ihn abgaben, hatten die Hodges zunächst erfolglos versucht, ihn gewinnbringend zu verkaufen. Und ihn dann jahrelang als Türstopper benutzt.