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Vergiftung Blei schädigt die Gehirne von Millionen Kinder in ärmeren Ländern

In vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen – hier Nigeria – lauert die Blei-Gefahr an alltäglichen Orten, beispielsweise aufgrund von bleihaltiger Farbe auf Spielplätzen 
In vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen – hier Nigeria – lauert die Blei-Gefahr an alltäglichen Orten, beispielsweise aufgrund von bleihaltiger Farbe auf Spielplätzen 
© Frank May / picture alliance
In Deutschland spielt Blei als Gesundheitsgefahr nur noch eine untergeordnete Rolle. Doch laut einer Schätzung tötet das Schwermetall anderswo noch immer Millionen Menschen und schädigt die Gehirne von Kindern

Vor allem in ärmeren Ländern sterben neuen Schätzungen zufolge mehrere Millionen Menschen im Jahr an den Folgen einer hohen Belastung mit Blei. Zudem führten solche Kontaminationen dazu, dass Kinder in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen in ihren ersten fünf Lebensjahren im Schnitt knapp sechs IQ-Punkte verlören, schreiben zwei Forscher der Weltbank im Fachblatt The Lancet Planetary Health. Demnach sind die Schäden wesentlich größer als bisher angenommen.

Die WHO führt Blei in ihrer Liste der zehn Chemikalien, die für die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung eine große Gefahr darstellen. Das giftige Schwermetall reichert sich in Knochen, Muskeln und im Gehirn an. Es kann unter anderem das Herz-Kreislaufsystem, die Nieren und das Nervensystem schädigen. Insbesondere bei Kindern kann Blei zu ernsthaften bleibenden neurologischen Schäden führen.

Zwar habe sich die Belastung mit Blei global gesehen deutlich reduziert, seitdem verbleites Benzin nach und nach verbannt wurde, schreiben die beiden Weltbankforscher Bjorn Larsen und Ernesto Sánchez-Triana. Dennoch können insbesondere in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen Menschen noch immer hohen Bleikonzentrationen ausgesetzt sein. Die Liste der potenziellen Bleiquellen ist lang: Unter anderem gehören dazu Lebensmittel, Bergbau, verbleite Farbe, Spielzeug, Kosmetikprodukte, Elektroschrott und Düngemittel.

Die Belastung mit Blei müsse schnellstens sinken, betonen die Forscher

Die zwei Forscher gehen davon aus, dass im Jahr 2019 rund 5,5 Millionen Erwachsene allein an bleibedingten Herz-Kreislauferkrankungen gestorben sind – vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Zudem schätzen die beiden Wissenschaftler, dass das Einkommen der Menschen durch den niedrigeren IQ auf ihr ganzes Leben gerechnet um 12 Prozent geringer ist.

Larsen und Sánchez-Triana schätzen den durch Bleikontaminationen rund um den Globus entstandenen wirtschaftlichen Schaden auf sechs Billionen US-Dollar im Jahr 2019 – das entspricht ihnen zufolge etwa sieben Prozent der damaligen Weltwirtschaftsleistung. Drei Viertel (77 Prozent) dieser enormen Kosten entstehen demnach als Folge der Herz-Kreislauferkrankungen, das übrige knappe Viertel (23 Prozent) geht auf Einkommenseinbußen durch neurologische Schäden zurück.

Die Belastung mit Blei müsse schnellstens sinken, betonen die Forscher. Dafür müsste man aber besser Bescheid wissen, woher genau das von Menschen aufgenommene Blei stammt und wie belastet Menschen in bestimmten Regionen tatsächlich sind. Zudem fordern die Wissenschaftler wirksame Gesetze, um die Bleibelastung zu senken.

Die Berechnungen der Studie beruhen auf Modellen, die je nach Region von bestimmten Bleikonzentrationen im Blut der Menschen ausgehen. Demnach ist die durchschnittliche Bleikonzentration im Blut in Schwellen- und Entwicklungsländern (46 Mikrogramm pro Liter) mehr als drei Mal so hoch wie in Industrienationen (13 Mikrogramm pro Liter). Zum Vergleich: Bei einer jahrzehntelangen Messreihe bei Studierenden in Münster sank die Bleikonzentration im Blut pro Liter von gut 77 Mikrogramm im Jahr 1985 auf unter 9 Mikrogramm im Jahr 2021.

Die Forscher gehen auch auf Schwächen ihrer Untersuchung ein. So sei es schwer, die Bleikonzentration im Blut von Menschen rund um den Globus genau abzuschätzen.

Valentin Frimmer dpa

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