Herr Professor Sehouli, haben Sie heute schon eine schlechte Nachricht überbringen müssen?
Jalid Sehouli: Ja, natürlich. Im Schnitt muss ich etwa dreimal am Tag einer Patientin einen Befund mitteilen, der ihr Leben gravierend verändern, ja vielleicht sogar dramatisch verkürzen wird. Unheilbare Krankheit, Sterben, Tod: Das sind die großen Themen, die ich mit den Menschen besprechen muss.
Man sollte meinen, Ärzte wären versiert darin.
Viele sind es nicht. Sie fürchten diese Ausnahmesituation genauso wie die Patienten. Sie meiden die Angst und die Wut der Betroffenen – und deren Fragen, auf die sie keine einfache Antwort haben. Das ist leider nicht nur im Arztberuf so. Eine aktuelle Studie zeigt beispielsweise, dass mehr als 70 Prozent der Führungskräfte in Deutschland nicht darauf vorbereitet sind, Kündigungen auszusprechen. Ich versuche mein Bestes, ohne zu verschweigen, dass ich nahezu jeden Tag daran arbeite, besser zu werden.
Weshalb ist das so schwierig?
Weil man sich schlecht dabei fühlt. Das geht auch mir so: Wenn ich eine Nachricht überbringe, fühle ich mich sogar teilweise schuldig, da die von mir vorgeschlagene Therapie nicht erfolgreich war, oder weil ich nicht mitweine. Ich denke dann, ich sei mehr als ein Überbringer – eher ein Täter, ein Verursacher. Aber es ist genau die Kunst im Umgang mit schlechten Nachrichten, sich nicht auf sich zu fokussieren: sondern auf die Bedürfnisse des Empfängers, und sich dabei auch selbst zu reflektieren.
Wie teilen Sie einem Menschen mit, dass er wahrscheinlich sterben wird?