Bergsteigen Legenden vom Gipfel geholt: Warum der Streit um Messners Rekorde unsinnig ist

Schaffte es als erster Alpinist auf den Mount Everest, ohne künstlichen Sauerstoff zu atmen: Reinhold Messner
Schaffte es als erster Alpinist auf den Mount Everest, ohne künstlichen Sauerstoff zu atmen: Reinhold Messner
© picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd
Video: GEO / Foto: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd
Reinhold Messner ist weltbekannt als der erste Mensch, der auf allen Achttausendern stand. Jetzt verliert der Alpinist den Rekord, weil er an einem Berg wohl zu früh umkehrte. Ist das fair? Und welche Rolle spielen ein paar Meter überhaupt? Ein Zwischenruf von GEO-Expeditionsreporter Lars Abromeit 

Reinhold Messer gilt nicht mehr als erster Mensch, der alle 14 Achttausender-Gipfel der Erde erklommen hat: Die Redaktion des "Guiness Buch der Rekorde" hat ihm nach genauerer Auswertung topographischer Karten und Fotos den Titel aberkannt  – 37 Jahre, nachdem er verliehen wurde!

Auch andere Rekorde sind von der Revision betroffen: Die Alpinistin Gerlinde Kaltenbrunner etwa verliert den Titel, als erste Frau alle höchsten Berge der Erde bestiegen zu haben. Beide seien an einigen Gipfeln wenige Meter zu früh umgekehrt, heißt es: Auch wenn sie es damals nicht besser wissen konnten, seien die Rekorde damit nicht gültig.

Ist das nun allzu spitzfindig oder nur fair gegenüber jenen, die nach den neuesten Satellitenmessungen später tatsächlich als erste ganz oben gestanden haben? Ich war selbst einmal auf einer Expedition, bei der Mediziner die Auswirkungen des Sauerstoffmangels erforscht haben, im Himalaya auf bis zu 7000 Meter Höhe unterwegs (unten im Video).

Spiel mit Rekorden ist schwierig

Aus dieser bescheidenen Erfahrung kann ich berichten, wie heikel die Orientierung in dieser extremen Hochgebirgswelt sein kann, wenn man erschöpft ist, um Atem ringt, und vor Kälte zittert. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer es am Gipfelgrat beispielsweise bei schlechtem Wetter dann vielleicht fällt, den höchsten von mehreren Felszacken absolut eindeutig als den Gipfelpunkt auszumachen.

Weltrekord oder nicht: An meinem Respekt vor der Leistung von Reinhold Messner und Gerlinde Kaltenbrunner ändert das nichts. Ich finde vielmehr, die Geschichte beweist vor allem, wie schwierig das Spiel mit Rekorden im Alpinismus tatsächlich ist. Wie unsinnig eigentlich. Reinhold Messner selbst hat einmal gesagt: Das Besondere am Bergsteigen sei für ihn, dass es dabei keine Regeln gebe und nur jeder selbst "Richter über das eigene Tun" sei. Ich finde, er hat damit recht. 

Entscheidend ist letztlich der "innere Gipfel" – das Ziel im Kopf, das wir zu erreichen versuchen, der Traum. Auch Alpinisten sollten die eigenen Taten in ihren Berichten nicht überziehen. Bestehen aber müssen wir im Gebirge vor allem vor uns selbst.

Das Himalaya-Experiment
© Stefen Chow
Das Himalaya-Experiment

Dünne Luft, jeder Schritt eine Qual. Was geschieht, wenn dem Körper der Sauerstoff ausgeht? GEO-Reporter Lars Abromeit und Fotograf Stefen Chow haben es ausprobiert. Das Video zu ihrer Mission auf 7000 Meter Höhe.