Der Sturm war heftig, und er kam früher als erwartet: Ein Wintereinbruch hat am Fuße des Mount Everest Zelte zerstört, Zufahrtsstraßen eingeschneit und Hunderte Touristen von der Außenwelt abgeschnitten. Sie hielten sich auf der tibetischen, von China kontrollierten Seite des Berges auf.
Wie viele Menschen betroffen sind, ist derzeit unklar. Das chinesische Nachrichtenportal Jimu Xinwen sprach zunächst von fast 1000 Menschen, die auf rund 4900 Meter Höhe feststeckten. 350 seien mittlerweile von Rettungskräften in die Ortschaft Qudang gebracht worden, östlich des Mount Everest, so berichtete das chinesische Staatsfernsehen. Zu mehr als 200 weiteren Personen bestehe inzwischen Kontakt, sie sollten nach und nach ebenfalls den Sammelpunkt erreichen.
"Ich hatte großes Glück, da herauszukommen", sagte die 29-jährige Geshuang Chen dem britischen Sender BBC. Ihre Wandergruppe war im Everest-Gebiet unterwegs, als sie von einem heftigen Schneesturm überrascht wurde. Zunächst habe der Wetterbericht nur leichten Schneefall angekündigt, doch über Nacht sei der Wind stärker geworden und der Schnee meterhoch gefallen. Am nächsten Morgen habe die Gruppe den Rückzug angetreten und sich stundenlang durch tiefen Schnee gekämpft. Besonders heftig schneite es wohl im Karma Valley, durch das auch ein Weg zum Everest-Basislager führt, das über die Nordflanke auf den Gipfel führt.
Noch sei es jedoch schwer einzuschätzen, wo genau die meisten der Touristen eingeschlossen wurden, sagt Bergführer Herbert Wolf. Seit 27 Jahren ist der Österreicher immer wieder am Everest unterwegs. Er leitet Expeditionen und Trekkingtouren, stand achtmal auf dem höchsten Berg der Erde. Dass es sich bei den Betroffenen um Gipfelstürmer handelt, sei ausgeschlossen: "Wer von der Nordseite auf den Everest steigen möchte, macht das im Frühjahr, keinesfalls jetzt."
Auch der Tourismus sei auf tibetischer Seite ein anderer als auf nepalesischer. "Mittlerweile führen dort breite, asphaltierte Straßen zu den Dörfern", sagt Wolf. "Man kann beinahe bis ins Basislager fahren. Dass man dort, wie in Nepal, wochenlang von Tal zu Tal wandert, ist eher selten." Zudem gelten für Gäste strenge Regeln: Trekkingtouristen müssen sich im Vorfeld eine Genehmigung der chinesischen Behörden einholen und dürfen nur in Gruppen und mit professionellem Führer unterwegs sein.
Viele Besucher, erzählt Wolf, führen deshalb in Jeeps und Reisebussen in die Dörfer auf 5000 Meter Höhe. Sie besuchten dort das berühmte Kloster Rongpu und machten kurze Touren in die umliegenden Täler und auf niedrigere Gipfel. Wolf hält es für wahrscheinlich, dass vielen dieser Touristen nun der Rückweg versperrt ist und sie ausharren müssen, bis die Behörden die Zufahrtsstraßen freigeräumt haben.
Die Hauptsaison für Wander-Touristen dauert im Himalaya von Mai bis Oktober. "Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein solch starker Sturm schon so früh im Jahr aufzieht und derart große Niederschlagsmengen mitbringt", sagt Wolf. "Das ist eigentlich viel zu früh."
Auch im benachbarten Nepal und im indischen Bundesstaat Westbengalen richteten die großflächigen Unwetter schwere Zerstörungen an, es gab zahlreiche Todesopfer. Während die Behörden in Nepal von mehr als 40 Toten sprachen, war in Westbengalen von mindestens 23 Opfern die Rede. Die betroffenen Gebiete waren von heftigen Monsunregenfällen heimgesucht worden.
Allein im Bezirk Ilam im Osten Nepals seien seit Samstag mindestens 37 Menschen durch Erdrutsche ums Leben gekommen, teilte die Polizei der Deutschen Presse-Agentur mit. In anderen Landesteilen habe es Tote durch Blitzeinschläge und Sturzfluten gegeben.
In einer weiteren Bergregion im Westen Chinas starb ein Wanderer, 137 weitere Menschen wurden dort im Norden der Provinz Qinghai in Sicherheit gebracht, wie der Sender CCTV berichtete.

Seit der Erstbesteigung 1953 des Mount Everest hat der Bergsteiger-Tourismus in der Region stark zugenommen. Jedes Jahr zieht es Hunderte Alpinistinnen und Alpinisten aus aller Welt auf den 8.848 Meter hohen Gipfel, viele lassen bei dem Versuch ihr Leben.
In der diesjährigen Saison kamen auf nepalesischer Seite nach Angaben des Tourismusministeriums in Kathmandu fünf Kletterer ums Leben. Für das Frühjahr hatten die Behörden 468 Genehmigungen für ausländische Bergsteiger erteilt, für die Herbstsaison waren es bislang nur vier.