Vilnius für 300 Euro
Nachfrage steigert den Preis: Aber in Litauens Hauptstadt kommt man noch günstig weg … falls man je wieder gehen will
Altersschwache Reihenhäuschen säumen die Kauno gatvė, eine Hauptader im Bahnhofsviertel von Vilnius. Keine Hochhäuser, dafür breite Straßen, Bäume, Grünstreifen. Vilnius fühlt sich überraschend luftig, fast kleinstädtisch an, als ich aus dem Zug steige und Richtung Zentrum schlendere. Kurz könnte man sich wundern, dass die litauische Hauptstadt als hipper Hotspot gehandelt wird. Ein Must-see? Eine wilde, bunte Szenestadt? Wenige Schritte weiter wird mir alles klar.
Ich bin für ein Wochenende in Vilnius, und zwar mit einer Mission: die Stadt zu zweit für weniger als 300 Euro erkunden. Seit der Einführung des Euros klagen Einheimische über gestiegene Preise. Im Vergleich zu Deutschland aber kommt man günstig weg, auch weil vieles zu Fuß machbar ist.

Ein Blick auf den Boden lässt mich ahnen, dass man selbst die Kunstszene der litauischen Hauptstadt erschließen kann, ohne Museumstickets zu kaufen: Namenlose Kreative haben mit Scherbenmosaiken den Gehsteig verschönert. Wenig entfernt ragt die mannshohe Hakenskulptur "The Hook" aus einer Fassade. "I’m the baddest and stoniest thing in town", verkündet eine Wandmalerei daneben. Menschen in Vilnius wirken straight, ihre Kunst aber zeigt subtilen Humor. Zwischen Murals und Installationen schlendere ich durch die Altstadt, bis ich mich an der Pylimo gatvė vor einer Büste von US-Star Frank Zappa finde. "Er war nie hier, kaum einer in Vilnius kennt seine Musik – und trotzdem!", erklärt mir Denkmal-Initiator Saulius Pilinkus. Vilnius folgt seiner eigenen Logik.
Wofür sich Geld ausgeben lohnt...
Mo Museum - 18€
Wegen der schwerelosen Architektur von Studio Libeskind und zeitgenössischer Kunst aus der Region. Den Besuch im Mo Museum unbedingt einplanen.
Kazys Varnelis House Museum - 10€
Wegen irritierender Op-Art und der inspirierenden Exzentrik des Künstlers. Mehr Informationen hier.
My Local Guide Tour - Trinkgeld
Weil ohne Tour spannende Orte und lustige Fakten verborgen bleiben, etwa dass Oberleitungsbusse hier "Schnurrbart" heißen. Private Stadtführungen gibt es hier: http://www.djt.lt/ und vilniuswithlocals.com (Englisch).
Weitere Infos: govilnius.lt
Litauens Szenestadt ist experimentierfreudig. 20 000 Studierende leben und feiern hier. Sie prägen das Nachtleben, füllen Cafés und Clubs, bieten Straßenmusik und Kleinkunst. Als vor einigen Jahren immer mehr junge Menschen abwanderten, förderte der Staat gezielt die Start-up-Branche. Seitdem wachsen im Viertel Šnipiškės gläserne Bürotürme gen Himmel. Die Stadt gilt als eine der attraktivsten für junge Tech-Firmen weltweit.
Viele der Kreativen trifft man in Užupis. Seit 1997 ist das Künstlerviertel an der Vilnia, die einen Spaziergang entfernt in die Neris mündet, eine unabhängige Republik voller Galerien und Shops, Lustigem und Schrägem wie einem Ziegelrelief mit litauischen Beleidigungen, die aus dem Sprachgebrauch zu verschwinden drohen: "Du grobes Mehl!". Einer der Staatsgründer ist Zappa-Denkmal-Pfleger und Lehrer Pilinkus. "Wir in Litauen haben uns die Freiheit seit Jahrhunderten immer wieder hart erkämpft. Darum wollen wir sie immer wieder bis an die Grenzen ausloten", sagt er.
Vilnius’ Freiheit erschließt sich Schritt für Schritt: Im Vingis-Park spaziere ich durch 160 Hektar dichten Wald. Die Hälfte der Stadtfläche ist von Natur bedeckt. Wie gern würde ich in einem der Heißluftballons, die über der Stadt fliegen, darüber schweben, es würde sehr zu Vilnius passen.
Spaziergänge...
...in die Gotik
Nach Nordosten hin altert die spätbarocke Altstadt aufs Schönste: St.Annen- und Bernhardinerkirche bilden den "Gotischen Winkel" mit roten Ziegelfassaden, die wie gehäkelt aussehen.
... in die Literatur
Nur 150 Meter lang ist die "Literaten-Straße", doch es kann Stunden dauern, sie zu durchschreiten: Keramiken, Bilder und Texttafeln schmücken ihre Mauern und erinnern an Literaten, die mit Litauen verbunden sind.
... nach Utopia
Der Stadtteil Užupis ist begehbares Gesamtkunstwerk aus Graffitis, Cafés – und eine geduldete Republik: Die Einreise wird aber nur am 1. April kontrolliert, schließlich leben hier vor allem Freigeister.
... in die Zukunft
Clubs und Galerien beleben die scheintoten Gebäude und Plätze im Bahnhofsviertel. Futuristisch: das Multimediaportal am Bahnhofsplatz, das in Echtzeit Videoaufnahmen aus dem polnischen Lublin überträgt – und andersherum.
Florenz für 400 Euro
In der Hauptstadt der Toskana kann es leicht teuer werden, dabei ist sie auch: ein kostenloses Open-Air-Museum
Drei junge Marcello Mastroiannis flanieren vorbei, mehrere Carla Brunis zwischen 20 und 60 und ein Herr, der an den späten Karl Lagerfeld erinnert: Er führt eine zierliche Dame mit Diva-Brille. Sein Arm ist um 90 Grad angewinkelt, ihre Hand ruht darauf. Eine federleichte Geste, die sie auf fingerdünnen Absätzen über das grob verfugte Pflaster schweben lässt.
Es ist ein sonnig-kühler Nachmittag in Florenz. In einem der Straßencafés im Westen der Altstadt nippe ich am Espresso, berauscht von der ungewohnten Dosis Stil und Eleganz. Der Architekt Nicola Santini, in tadellos geschnittenem dunklem Jackett, sitzt mir gegenüber und fasst in Worte, was ich stumm bestaune: "Perfektion und Schönheit der Stadt sind überwältigend."

Santini ist Florentiner, sein Architekturbüro hat das Museo Novecento mitgestaltet – ein Museum für moderne Kunst, zu Hause in einem Renaissancepalast. Begehbare Kuben in schrillen, lauten Farben mischen die leisen historischen Räume auf. Florenz, die Stadt der Meisterwerke, lebt für und von ihrer Kunst. Wer Museumstickets vorab reserviert, zahlt mitunter wenige Euro mehr, spart aber Zeit. Günstiger ist, ganz darauf zu verzichten. Florenz ist ohnehin ein einziges, riesiges Freilichtmuseum.
Wofür sich Geld ausgeben lohnt...
Uffizien - 20€
Wegen der Meisterwerke der Renaissance. Der deutsche Museumsleiter Eike Schmidt präsentiert sie neu: reduzierter. Staus vor den Werken sind seither die Ausnahme. Die virtuelle Tour ist gratis. Mehr Infos hier.
Santa Maria del Fiore - 40€
Weil der Aufstieg zur 100 Meter hohen Kuppel eigentlich unbezahlbar ist. Nach 414 Stufen kann man das schaurig-schöne "Jüngste Gericht"-Fresko von Nahem studieren. Piazza del Duomo, mehr Infos hier.
Museo Novecento - 19€
Weil Modernes und Zeitgenössisches, vor allem aus Italien, in spannendem Dialog mit der Renaissance-Architektur des Palazzo steht. Mehr Infos hier.
Seit mehr als 700 Jahren wagen sich Architektur und Kunst in der Stadt am Fluss Arno an die Grenzen des Denkbaren. Mit einer Scheitelhöhe von über 100 Metern setzt die Kuppel des Doms bis heute Maßstäbe in der Statik. Ich bestaune den Glockenturm von Giotto und Michelangelos David. Auch den 200 Meter langen Palazzo Pitti, Machtsymbol der Medici. Auf dessen Vorplatz bin ich gefesselt von den Machtspielen der Familie, die hier nach Jahrhunderten ein Ende fanden. Am Ufer des Arno wirken die Renaissance-Ensembles vertraut, bekannt als Kulissen zahlreicher Filme.
Wie im Kino tauche ich in die Geschichte von Florenz ein und vergesse die Gegenwart: Die Wartezeit vor den Uffizien, deren Zehn-Euro-Ticket jeden Cent wert ist, verfliegt mit der richtigen Lektüre. Ich lese über den Architekten des Gebäudes, Giorgio Vasari, einen der ersten Kunsthistoriker der Welt. "Wir Florentiner lieben Herausforderungen", sagt Nicola Santini.
Zweieinhalb Tage lang rückt die toskanische Hauptstadt meinen Alltag in die Ferne. Selten bekomme ich für wenig Geld so viel und nie habe ich mich nach einer Kurzreise entspannter gefühlt: für ein paar Tage lang schwerelos genug, um auf fingerdünnen Absätzen zu schweben.
Spaziergänge...
...zum Sundowner
Von der Piazzale Michelangelo, auf einem Hügel südlich des Arno, sieht Florenz bei Sonnenuntergang atemraubend aus. Das wissen viele – wer’s ruhiger mag, weicht auf eine Terrasse im Park Giardino delle Rose aus. Eingang: Rosengarten
... zum Kunsthandwerk
Rund um die hübsche Piazza Santo Spirito haben sich traditionelle Goldschmieden, Sattlereien und Glasmanufakturen angesiedelt. Neue Budget-Regel: Ein Kauf auf Kreditkarte zählt nicht. firenze-oltrarno.net
... zur Kunstpause
Parco delle Cascine, ehemaliges Landgut der Medici, ist die größte Grünfläche der Stadt, und ein
schöner Picknickplatz am Arno. Eingang: Piazza Vittorio Veneto
Weitere Infos: feelflorence.it
Paris für 500 Euro
Das Beste im Leben gibt es umsonst: Die Parks sind gratis in der Stadt, die zu den teuersten der Welt zählt
Nicht auf dem Eiffelturm, das wäre dann doch zu sehr Klischee. Aber hier, auf der Dachterrasse des Bürohauses Tour Montparnasse, liegt der Höhepunkt unseres Kurztrips. 210 Meter unter uns wogt ein Meer aus Dächern. Mit einer Linksdrehung um meine eigene Achse gelange ich in Sekunden zu den Wahrzeichen: dem Eiffelturm, dem Hôtel des Invalides, dem Panthéon mit seiner Kuppel und zum Louvre an der Seine. Sie ist ein graues, grün gesäumtes Band, das sich zu einer weiten Schleife legt. Es zerfleddert um die Île de la Cité herum, die Insel mit der gotischen Kathedrale Notre-Dame. Parkanlagen reihen sich am Ufer wie geometrisch gemusterte Teppiche.

Die Aussichtsplattform ist ein perfekter Ort für einen Heiratsantrag, finde ich. Mein Mann wendet ein, dass wir doch bereits verheiratet seien. Ich entgegne: "Schon, aber trotzdem." Er nickt und sagt: "Aber es müsste Nacht sein." Natürlich hat er recht: Die Seine muss geschmolzenes Gold sein und die Stadt in ihren Farben tränken. Es muss so viel Stille über der Stadt liegen, dass man den eigenen Herzschlag hören kann. Und dann muss man in ein schickes Nachtlokal gehen, Coquilles St. Jacques und Wein bestellen, ohne auf den Preis zu schauen.
Wofür sich Geld ausgeben lohnt...
Leihfahrräder - 20 €/2 Tage
Weil "Paris à vélo" Spaß macht, schnell und sicher ist und es den Ohrwurm von Sänger Joe Dassin gratis gibt! Von den zahlreichen Anbietern hat "Velib" mit die meisten Stationen und einen günstigen 24-Stunden-Tarif. Vorab App runterladen und registrieren.
Fondation Louis Vuitton - 32 €
Wegen Frank Gehrys Architektur-Explosion, spannender moderner Kunst, überwiegend des 20. Jahrhunderts, und der Lage im Bois de Boulogne, der grünen Seele von Paris. Avenue du Mahatma Gandhi 8, Fondation Louis Vuitton
Tour Montparnasse - 32 €
Weil einem auf der Dachterrasse des 56 Etagen hohen Bürogiganten die Stadt schöner zu Füßen liegt als auf dem Eiffelturm. Die Wartezeit ist kürzer und die Liftfahrt pro Person 10 Euro günstiger. Avenue du Maine 33, Tickets für die Tour Montaparnasse hier.
Schon allein deshalb gehen meine Heiratspläne nicht auf: Mit 500 Euro Budget haben wir es uns in der gleich nach Tel Aviv zweitteuersten Stadt der Welt nicht leicht gemacht. Ein Anfang aber ist getan: Eine Aufzugfahrt zur Spitze des Eiffelturms kostet 26 Euro, ein Ticket für den Tour Montparnasse nur 16 Euro.
Wir sind nicht wegen der Romantik nach Paris gereist, aber sie hat uns gefunden. Als wir ankamen und aus dem Bahnhof Gare du Nord traten, haben wir die Rollkoffer so bis zum Hotel geschoben, dass wir Hand in Hand gehen konnten. Ich denke an die Szene aus der Serie "Sex and the City": Auf der Brücke Pont des Arts, unter einer Laterne, legt Mr. Big seinen Mantel um Carrie. Er zieht sie zu sich: "Du bist die Eine". Im Hintergrund breitet der Kuppelbau des Institut de France die Flügel aus. Die Lichtgestalt des Hüters der Künste und der Wissenschaften gibt ihren Segen.
Am letzten Nachmittag stranden mein Mann und ich am Montmartre, dem höchsten Hügel der Stadt. Im Nieselregen steigen wir die Treppe hinauf zum Gipfel mit der Basilika Sacré-Cœur. Die weiße, neobyzantinische Zuckerbäckerarchitektur überstrahlt den trübsinnigen Himmel. Gefühlt sind wir die einzigen Besucher. Paris zu unseren Füßen hat sich in einen eleganten Schleier gehüllt und hält den Atem an. Ich höre mein Herz pochen, und das Licht ist perfekt.
Spaziergänge...
... für Romantiker
Der unübertreffliche Klassiker: Nach Einbruch der Dunkelheit abwechselnd rechts und links der Seine vom Pont Neuf zum beleuchteten Eiffelturm schlendern und die Lichtgestalt vom Vorplatz des Palais de Chaillot aus bestaunen.
... für Weltenbummler
Eingewanderte aus dem Kongo, Mali und Tunesien halten ihre Kulturen im Quartier de la Goutte-d’Or lebendig. Märkte, Restaurants und Shops an der Rue Myrha machen auch Spaß, wenn man nichts kauft.
... für Naturschützer
Die Ökoszene im 14. Arrondissement ist besonders aktiv: Flohmärkte, Kunstinstallationen aus Müll und die Renaturierung der stillgelegten Bahnlinie »Petit Ceinture« sind unter den Projekten, die man entdecken kann.
... für Graffiti-Fans
Wer »D*Face«, »Btoy« oder »Inti« kennt, wird im 13. Arrondissement glücklich: Die zahlreichen Wandgemälde namhafter Graffiti-Künstler sind spektakulär!
Weitere Infos: de.parisinfo.com