Grünes Eiland Geheimtipp Mljet: Unterwegs auf der schönsten Insel Kroatiens

  • von Nicol Ljubic
Die Blaupause für andere Nationalparks im Land. Ein Viertel der Insel Mljet steht unter Schutz, auch der Große See
Ein Viertel der Insel Mljet steht unter Schutz, auch der Große See
© Stipe Surać
Kroatiens schönste Insel heißt Mljet. Unser Autor Nicol Ljubić weiß das, seit er als Kind hier seinen Schnuller versenkte

Es gibt eine Geschichte, die in meiner Familie als das "Wunder von Mljet" bekannt ist. Sie handelt davon, wie ich vor 45 Jahren meinen Schnuller loswurde. Mein Vater erzählt die Geschichte gern und oft. So wie er es schildert, erschien mir ein Leben ohne Schnuller damals nicht sonderlich lebenswert. Nur der Schnuller machte mich zu einem halbwegs ausgeglichenen Wesen, steckte er mir mal nicht zwischen den Lippen, schrie ich, bis nicht nur ich, sondern auch meine Eltern rot anliefen vor Zorn und Verzweiflung.

Aber dann kam der Sommer 1973, wir machten eine Woche Urlaub auf der Insel Mljet. Damals lebten meine Eltern und ich noch in Jugoslawien. Mein Vater erzählt, wie ich eines Nachmittags im Hotel "Melita" die Faszination der Klospülung entdeckt hätte. Und dass er die Gelegenheit genutzt und mir erklärt habe, was für ein Riesenvergnügen es für jeden Schnuller sei, hinuntergespült zu werden. Dann geschah es. Ich warf meinen Schnuller ins Klo, spülte und lebte fortan glücklich ohne ihn weiter.

Es ist diese Geschichte, die ich im Kopf habe, als ich nach 45 Jahren endlich zurückkehre an den wundersamen Ort, der mir ein Leben ohne Schnuller ermöglicht hat und von dem meine Eltern (auch deshalb?) bis heute so schwärmen.

Mit der Fähre von Prapratno nach Mljet

Es ist sieben Uhr morgens, und außer mir sind wenige Menschen auf der Fähre. Die vierzigminütige Überfahrt von Prapratno nach Mljet verläuft fast meditativ friedlich. Ich denke an die andere Geschichte, die mein Vater von unserem Urlaub erzählt: Wir mussten drei Tage länger als geplant im Hotel "Melita" ausharren, weil der gefürchtete Nordwind Bora das Meer aufwarf und kein Schiff aus dem Hafen kam, bis sich am dritten Tag ein wagemutiger Kapitän traute. Während der Fahrt ging es so sehr auf und ab, dass selbst mein Vater, der sich gern als "Mann wie Baum" bezeichnet, über der Reling hing. Wenn die Bora oder der Südwind Jugo wüten, dann geraten sogar Helden in Seenot.

Mljet liegt 30 Kilometer von Dubrovnik entfernt und gilt als die grünste aller kroatischen Inseln. 90 Prozent der Fläche sind bewaldet. Der Westteil der Insel ist seit 1960 ein Nationalpark mit Kiefern- und Steineichenwäldern, mit Orchideen, Myrten und verschiedensten Tieren. Vier Mungo-Paare wurden vor mehr als hundert Jahren vom österreichischen Baron Schilling auf die Insel gebracht, um sich über die vielen Schlangen herzumachen.

So gewissenhaft haben die Mungos ihre Aufgabe erfüllt, dass es heute auf Mljet so gut wie keine Schlangen mehr gibt, wobei ich einen Mungo nicht erkennen würde, selbst wenn er winkend vor mir stünde. Ich habe keine Ahnung, wie die mit Erdmännchen verwandten Tiere aussehen.

Das alte Benediktiner-Kloster Sveta Marija war unter den Kommunisten Hotel, jetzt gehört es wieder der Kirche
Das alte Benediktiner-Kloster Sveta Marija war unter den Kommunisten Hotel, jetzt gehört es wieder der Kirche
© Stipe Surać

Am schönsten sind aber die beiden Seen, der Große und der Kleine See, die miteinander verbunden sind und einen natürlichen Zugang zum Meer haben. Durch den fließt das Salzwasser im steten Wechsel herein und wieder hinaus. Zum Großen See gehört eine kleine Insel, auf der Benediktiner im 12. Jahrhundert ein Kloster erbauten. Vor 45 Jahren wohnten wir in dem Kloster, das damals ein Hotel war und sich "Melita" nannte, so wie Mljet ursprünglich mal hieß. In einem Super-8-Film meiner Eltern erscheint dieses Hotel in hellen Farben, das Wasser rundherum glitzert in der Sonne, die Natur wirkt fast unwirklich schön.

Es ist kurz nach halb acht am Morgen, als die Fähre im Hafen von Sobra anlegt. Die ersten Zikaden zirpen. Dazu der Duft des angehenden Sommers, nach Harz und Nadeln. Das Wasser ist so klar, dass ich in einer Tiefe von zehn Metern einzelne Fische sehen kann.

Erinnerungen an frühere Jahre

Meine Eltern und ich waren nicht die Ersten, die Mljet für sich entdeckten, vor uns waren Illyrier, Griechen, Römer, später Franzosen, Österreicher und Italiener da. Geblieben sind etwa tausend Kroaten, die bis heute die 37 Kilometer lange und drei Kilometer breite Insel bewohnen.

Ich fahre in den Westen, Richtung Nationalpark. In Höhe von Babino Polje sehe ich am Straßenrand ein Schild mit der Aufschrift "Odysseus Cave". Ich steige aus, gehe zwanzig Minuten zu Fuß, dann stehe ich an der Felsküste mit Blick aufs offene Meer, unter mir imposante Felsterrassen und eine Grotte. Und auch wenn es nichts gibt, was darauf schließen ließe, dass hier einst Kalypso mit Odysseus geturtelt hat, gibt es auf Mljet wohl niemanden, der daran zweifeln würde.

Genauso wenig wie an der Tatsache (natürlich!), dass der Apostel Paulus im Jahr 61 nach einem Schiffbruch auf die Insel gespült und auf Melita von einer Schlange gebissen wurde. Es soll Menschen (vor allem Malteserinnen und Malteser) geben, die behaupten, bei Melita handele es sich um das heutige Malta, dabei ist die Sache, das wird mir später Tajana Perković erklären, eigentlich ziemlich klar. "Auf Malta gibt es keine Schlangen", wird sie sagen, "Paulus war sicher hier auf Mljet."

GEO-Autor Nicol Ljubić 
GEO-Autor Nicol Ljubić 
© privat

Tajana Perković, eine bedächtige ältere Frau, treffe ich im Nationalpark, in dem sie seit über zwei Jahrzehnten arbeitet und wo sie sich auskennt wie kaum eine andere. Wenn sie sagt, dass Paulus auf Mljet war, wird es stimmen.

Ich erzähle Tajana Perković, dass ich als Kind einmal im "Melita" gewohnt habe. Sie erinnert sich an das Hotel. 1995 sei es geschlossen worden, um das Biotop des Nationalparks zu schützen. Heute gibt es auf der kleinen Insel nur noch ein Restaurant namens "Melita". Um dorthin zu gelangen, nehmen wir das Boot, das stündlich zur Klosterinsel fährt. Wir tuckern über den Großen See, auf dem es sonst keinen Verkehr gibt, nur den wenigen Anwohnern ist es erlaubt, ein Boot zu besitzen.

Jugoslawiens Diktator Tito wollte das Kloster einst als Residenz nutzen. Damit seine Jacht durch die Meerenge passte, sprengte man die alte Brücke, die noch von den Benediktinern stammte und die beiden Ufer miteinander verband. Tito entschied sich dann aber doch für Brioni, so wurde das Kloster zwischendurch zum Hotel.

Traumhafte Kulisse ohne Massentourismus

Vom See aus ist die Naturkulisse atemraubend, die dicht bewaldeten Hügel, die kleinen, geschützten Buchten, das klare Wasser, die paar Häuser von Babine Kuće, dem einzigen Ort am Ufer, dazu diese Stille. In Seenähe sind keine Autos erlaubt. Dafür gibt es im Nationalpark zahlreiche Wanderwege. Und seit Neuestem auch einen Weg, der jenseits aller Straßen von einem Ende der Insel zum anderen führt, über 75 Kilometer hinweg. "Mljet", sagt Tajana Perković, "ist für Menschen, die Ruhe suchen. Wer Entertainment braucht, muss nach Brač oder Hvar."

Die Insel gilt immer noch als Geheimtipp. Zwar liegen in der traumhaften Bucht von Polače im Sommer die Jachten aneinandergereiht, trotzdem ist Mljet eine Insel ohne Massentourismus geblieben. Deren Haupt-, aber beileibe nicht einzige Attraktion ist der Nationalpark.

Es gibt historische Gebäude wie den Palazzo in Polače, den sich einst ein römischer Verwalter bauen ließ. Es gibt kleine mittelalterliche Küstendörfer wie Okuklje oder Prožura in wunderschönen, fast schon abgeschiedenen Buchten. Und, was selten ist in Kroatien: Es gibt am östlichen Ende in Saplunara und Blace sogar Sandstrände.

Der Sonnenuntergang auf der Straße zwischen den beiden kleinen Dörfern Polače and Goveđari
Der Sonnenuntergang auf der Straße zwischen den beiden kleinen Dörfern Polače and Goveđari
© Stipe Surać

Das einzige Hotel findet sich in Pomena am Westende der Insel, alle anderen Unterkünfte sind private, eher einfache Pensionen. Auf Mljet leben zwei Ärzte, im Sommer kommt ein dritter hinzu, der sich nur um Touristinnen und Touristen kümmert. Die einzige Apotheke in Babino Polje steht vor der Schließung. Für die Menschen auf Mljet ist das Leben nicht einfach.

Wasser wird durch Pipelines vom Festland gepumpt und von der Feuerwehr verteilt, wer ernsthaft krank ist oder schwanger, muss mit dem Schiff nach Dubrovnik. Dafür leben die Menschen hier in großer Ruhe. Und die kann sehr heilsam sein. Während wir im Restaurant "Melita" einen Kaffee tranken, erzählte Tajana Perković, dass ihre Tochter in der Stadt unter Asthma gelitten habe; das sei auf der Insel einfach verschwunden.

Zum Schluss hatte Tajana Perković auf einen Gipfel gezeigt, nicht weit vom Großen See entfernt. "Sehen Sie die Holzhütte dort auf dem Montokuc? Da müssen Sie hoch, von dort haben Sie die beste Aussicht."

Auf dem Weg zur besten Aussicht der Insel

Damjan Aljinović holt mich mit dem Rad ab. Schon die erste Steigung raus aus Pomena, dem kleinen Ort am Meer, in dem ich übernachte, lässt mir die Oberschenkel brennen, Damjan fährt entspannt mit seinem E-Bike neben mir her. Der Nationalpark-Ranger erzählt von seinen nächtlichen Touren, um Camper aufzuspüren, die ihre Zelte im Naturschutzgebiet aufschlagen, was sie nicht dürfen.

Wir stellen unsere Räder ab und gehen noch eine Dreiviertelstunde zu Fuß. Der Weg hoch auf den Montokuc, erzählt Damjan, sei die beliebteste Wanderroute. Oben angekommen, weiß ich auch, warum. Wir haben, auf 251 Meter Höhe, den magischsten Ort der Insel erreicht. Auf der Veranda der Holzhütte steht ein Stuhl.

Hier oben wachen die Feuermelder rund um die Uhr, zu zweit, immer abwechselnd schlafend und wachend. Sie müssen beim ersten Rauchzeichen die Feuerwehr alarmieren. So, denke ich, als ich mich auf den Stuhl setze und den Wind rauschen höre, so muss es sich anfühlen, vom Olymp auf die Welt zu blicken.

Alles liegt mir zu Füßen, der Nationalpark, der Kleine See, der Große See, die Bucht von Polače mit den vier vorgelagerten Inseln und weit dahinter die Nachbarinsel Korčula. Auf einmal bin auch ich mir sicher, dass Odysseus auf Mljet war. Und Paulus. Und vielleicht sind ja beide zurückgekehrt. Es heißt, wer einmal hier war, kommt wieder. Selbst wenn es manchmal 45 Jahre dauert.

Ein paar Monate nachdem ich den Schnuller ins Klo gespült hatte, so sagt es mein Vater, habe ich ihn gefragt, ob es dem Schnuller auch wirklich gut gehe. "Natürlich", habe er geantwortet, "er könnte es nirgendwo schöner haben." Und zumindest das wäre nicht gelogen.

Tipps für die grüne Insel


Nach Mljet fährt der Katamaran aus Split, der entweder in Pomena oder Sobra anlegt, oder die Fähre aus Prapatno auf der Halbinsel Pelješac etwa 50 Kilometer nördlich von Dubrovnik. Weitere Infos hier.  


Apartmani Jezero

Die Unterkunft trägt die Lage im Namen, "Jezero", See. 1934 als Hotel gegründet, gehörte sie zu den ersten touristischen Einrichtungen auf Mljet. Ein Zimmer hier ist einfach, die Lage aber außergewöhnlich, mitten im Nationalpark, ein paar Schritte vom Großen See entfernt, mit Zugang zu einem privaten Strand. Weitere Infos zu Zimmerpreisen und Co. hier


Pine Tree BoutiqueApartments

Sandstrände sind in Kroatien ein rares Gut. Mljet hat an seiner Ostspitze gleich zwei, die nur wenige hundert Meter auseinanderliegen: Saplunara und Blace. Wer dicht dran wohnen und morgens mit einem Blick übers Meer aufwachen möchte, der wird sich in diesen schicken Apartments wohlfühlen. Ab 178 Euro, weitere Infos hier.


Corallium Lux

Im Westen von Mljet, im Nationalpark, liegt das Hafenörtchen Pomena in einer geschützten, malerischen Bucht. Ruhig ist es hier, ein paar Restaurants versorgen die Urlauber. In Pomena ist auch das einzige, etwas in die Jahre gekommene Inselhotel "Odisej". Die meisten vermieten deutlich schönere Apartments wie zum Beispiel das "Corallium Lux" mit Terrasse und Pool. Nur über booking.com oder a-hotel.com, ab 140 Euro


Nationalpark Mljet

Es gibt zahlreiche gut beschilderte Wanderwege, eine dreistündige Rundtour führt von Polače auf den 253-Meter-Gipfel des Montokuc und dann hinunter zum See. Auch einen Fernwanderweg durch prächtige Natur von einem Ende der Insel zum anderen können wir empfehlen. Reine Gehzeit: 23 Stunden. Weitere Informationen hier.


Restaurant Melita

Die kleine Insel Sveta Marija beherbergt Kirche und Kloster aus dem 12. Jahrhundert, einige knorrige alte Bäume und ein wunderbares Restaurant, zu dem man nur mit dem Boot ab Pristanište übersetzen kann. Nur tagsüber geöffnet. Die aktuelle Speisekarte, Events und die Geschichte des Hause gibt es hier.


Meeresgrotte

"Odisejeva špilja" ist sowohl zu Fuß als auch per Boot zu erreichen, allerdings nur, wenn das Meer nicht all zu sehr schäumt. Um Punkt zwölf mittags fällt das Sonnenlicht besonders schön in die Höhle. Hier soll – den Gerüchten nach – der auf Mljet gestrandete Odysseus gesessen und voller Trauer aufs Meer gestarrt haben, während sich die Nymphe Kalypso in ihn verliebte.

Erschien in GEO Saison Nr. 3 (2022)

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