Tiertransporte Organisierte Verantwortungslosigkeit: Fast 70 schwangere Kühe aus Deutschland sterben nach wochenlanger Irrfahrt

Transporte lebender Tiere in Nicht-EU-Staaten, sogenannte Drittstaaten, bleiben in Deutschland auch nach der Überarbeitung des Tierschutzgesetzes erlaubt
Transporte lebender Tiere in Nicht-EU-Staaten, sogenannte Drittstaaten, bleiben in Deutschland auch nach der Überarbeitung des Tierschutzgesetzes erlaubt
© Richard Schramm / Adobe Stock
Seit Jahren fordern Tierschutzorganisationen ein Verbot von Tiertransporten in Nicht-EU-Staaten. Ein aktueller Fall aus der Grenzregion zwischen Bulgarien und der Türkei macht überdeutlich, warum

Am 12. September werden in Brandenburg 69 schwangere* Jungkühe auf zwei Lkw getrieben. Das Ziel des Transports ist die Türkei. Zwei Tage später kommen die Tiere dort an. Aber es gibt ein Problem: Nach der Abfertigung durch den türkischen Zoll haben die zuständigen nationalen Veterinärbehörden festgestellt, dass das Bundesland Brandenburg wegen der Blauzungenkrankheit als Seuchengebiet gilt. Und zwar schon seit August.

Was sich nun anschließt, ist ein Martyrium im Dreiländereck zwischen Bulgarien, Türkei und Griechenland, im Dunkelfeld der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Die hochschwangeren, aber zunächst gesunden Tiere hätten gar nicht eingeführt werden dürfen – dürfen aber auch nicht zurückgeschickt werden. Schließlich gelten für die EU strenge Einfuhrbestimmungen. Besonders natürlich für Tiere aus einem Seuchengebiet.

Wochenlanges Martyrium

Die Kühe werden in einem provisorischen Stall zwischengeparkt und notdürftig versorgt, bevor sie wieder auf die Transporter getrieben werden. Dort kommen die ersten Kälber zur Welt – in knöchelhohem Kot liegend. Mütter und Neugeborene sterben, sich selbst überlassen. Appelle von Tierschützenden verhallen ungehört. Für die überlebenden Tiere endet das Martyrium – fast fünf Wochen nach dem Beginn der Irrfahrt – in einem Schlachthof in der Türkei. Die Ungeborenen ersticken im Leib ihrer toten Mütter. Nur der Aufmerksamkeit von Tierschützenden ist es zu verdanken, dass eine noch lebende Kuh auf einem der Transporter nicht mit schon gestorbenen Leidensgenossinnen auf einer Müllkippe abgeladen wird.

Man kann jetzt, wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, von den Behörden in Brandenburg eine Erklärung fordern, wie es dazu kommen konnte. So etwas dürfe sich nicht wiederholen. Presseberichten zufolge ist es allerdings nicht das erste Mal, dass "so etwas" passiert. Es hat sich schon wiederholt. Und es wird sich – so oder so ähnlich – auch in Zukunft wiederholen. Vor allem, weil Transporte aus Deutschland in Nicht-EU-Länder überhaupt erlaubt sind.

Die einzige wirksame vorbeugende Maßnahme gegen Verantwortungsdiffusion mit so grauenhaften Konsequenzen wäre also, Tiertransporte in Drittstaaten zu verbieten. Die Chance dazu hat der verantwortliche Minister von den Grünen allerdings gerade vertan. Im überarbeiteten Tierschutzgesetz, das in den kommenden Wochen vom Parlament verabschiedet wird, findet sich dazu: nichts.

* Anmerkung des Verfassers: Fachsprachlich wird die Schwangerschaft bei so genannten Nutztieren als Trächtigkeit bezeichnet. Für eine solche Unterscheidung gibt es nach meiner Ansicht keinen vernünftigen Grund.