Schiffswracks bieten am Meeresboden lebenden Tieren Schutz vor der Gefahr durch Grundschleppnetze. Denn: Fischer meiden die Umgebung von gesunkenen Schiffen, um ihre Ausrüstung nicht zu gefährden, wie eine Gruppe um Jenny Hickman von der Universität Plymouth im Fachmagazin "Marine Ecology" schreibt. Dadurch bleibe der Meeresboden um die Wracks relativ unberührt.
Vor den Küsten Großbritanniens liegen schätzungsweise rund 50 000 Schiffswracks auf dem Meeresgrund, viele davon noch unentdeckt. Wegen ihres Artenreichtums dienen sie oft als Attraktion für Taucher und ziehen auch Angler an. Doch viele Fischerboote bleiben fern, weil die steifen Strukturen auf dem Meeresgrund die Netze zerstören würden.
Außerhalb von Schutzgebieten bleiben nur wenige Areale verschont
"Der industrielle Einsatz von Grundschleppnetzen ist seit dem 19. Jahrhundert üblich und hat die Meeresgemeinschaften und Ökosystemleistungen erheblich verändert", sagte Hickman laut einer Mitteilung ihrer Uni. Außerhalb von Schutzgebieten blieben nur Areale verschont, in die die Trawler nicht fahren.
Das Team schaute sich fünf Wracks vor der Küste der schottischen Grafschaft Berwickshire genauer an, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert gesunken waren. Zwei liegen innerhalb von Schutzgebieten, in denen das Fischen mit Grundschleppnetzen verboten ist. Rund um die drei anderen Wracks sind Grundschleppnetze erlaubt.
Das Team erstellte systematische Videoaufnahmen von den Wracks selbst, ihrem Umfeld innerhalb eines Radius von 50 Metern und von Kontrollstellen rund 150 Meter entfernt. Anhand der Videos zählten die Forschenden dann, wie viele Tiere darauf zu sehen waren.
Um Wracks tummelten sich mehr als viermal so viele Tiere
Für die befischte Zone konnte das Team zwar nicht bestätigen, dass rund um die Schiffswracks die Artenvielfalt erhöht ist. Die reine Anzahl der registrierten Individuen stieg aber stark an. So tummelten sich rund um die Wracks mehr als viermal so viele Tiere am Meeresgrund wie abseits der gesunkenen Schiffe, wo die Fischerboote ihre Netze über den Meeresboden ziehen.
"Es wird seit langem vermutet, dass Schiffswracks eine wichtige Rolle als Zufluchtsort für bestimmte marine Arten spielen. Es ist großartig, dass unsere Studie das nun zeigt", sagte Studien-Co-Autor Joe Richards. Dadurch könne man besser verstehen, welches Potenzial diese Schiffswracks angesichts ihrer schieren Anzahl für die Erholung und Verbesserung der Ökosysteme haben.
Zwölf spektakuläre Schiffswracks: Hier wird Verfall zur Strand-Attraktion

Zwölf spektakuläre Schiffswracks: Hier wird Verfall zur Strand-Attraktion
Interessanterweise war in Schutzgebieten in abgeschwächter Form ein umgekehrter Effekt zu beobachten: An den und um die Wracks zählten die Forschenden etwas weniger Tiere auf dem Meeresgrund als in größerer Entfernung. Über die Gründe dafür könne man bislang nur spekulieren, erklärte Hickman der Deutschen Presse-Agentur. Möglicherweise gebe es eine Art Präferenz mariner Lebewesen für unberührten Lebensraum im Vergleich zu den Bereichen um die Wracks.
Insgesamt zählte das Team 49 verschiedene Tierarten, am häufigsten kamen ihnen bestimmte Springkrebse (Munida rugosa), sogenannte Essbare Seeigel (Echinus esculentus) und Gemeine Seesterne (Asterias rubens) vor die Linse.