Überhöhte Geschwindigkeit, rote Ampel übersehen: Wenn es auf der Straße kracht, bleibt es glücklicherweise meist bei Blechschäden, und der Verursacher – oder dessen Versicherung – muss dafür aufkommen. Können sich die Parteien nicht einigen, kommt der Fall vor Gericht. Klar ist: Irgendjemand zahlt am Ende.
Auch in der Klimakrise sind Verursacher und Geschädigte leicht zu identifizieren: In die erste Kategorie fallen die früh industrialisierten Nationen des globalen Nordens, die ihren Wohlstand seit etwa anderthalb Jahrhunderten mit fossilen Brennstoffen befeuern und ihren Müll – die Klimagase – zum Nulltarif in der Atmosphäre deponieren. Deutschland steht in dieser historischen Perspektive immerhin auf dem Rang sechs der schlimmsten Atmosphärenverschmutzer. Und selbst heute noch werden Dörfer zwangsgeräumt und abgebaggert, um den schmutzigsten aller Energieträger, die Braunkohle, für die Stromgewinnung zu verfeuern.
Auf der anderen Seite stehen die Länder des globalen Südens, die vergleichsweise wenig zur Klimakrise beigetragen haben – die Folgen aber als Erste zu spüren bekommen. Zum einen, weil bei ihnen Trockenheit, Hitze oder extreme Niederschläge schon seit Jahren ein Problem sind, zum anderen, weil sie kaum Möglichkeiten haben, die Folgen abzumildern. Die Menschen sind der schleichenden Katastrophe schutzlos ausgeliefert, vielen wird nur die Flucht bleiben. Und auf die Unterstützung ihrer Regierungen werden die meisten kaum bauen können.
Die Schäden der Klimakatastrophe sind schon heute kaum zu bezahlen
Dass auf Initiative Deutschlands und der Vereinigten Arabischen Emirate nun ein Fonds für klimabedingte Schäden eingerichtet wurde, ist zumindest ein Hinweis, dass man sich dieser eklatanten Ungerechtigkeit bewusst ist. Mehr allerdings auch nicht. Die von beiden Nationen zugesicherten 200 Millionen US-Dollar sind angesichts der zu erwartenden Schäden kein Doppelwumms – sondern ein Witz: Schon heute belaufen sich einer aktuellen Studie zufolge die klimawandelbedingten Schäden und Verluste auf 143 Milliarden US-Dollar – pro Jahr. Im Jahr 2030 könnten es allein in den Entwicklungsländern weit über 500 Milliarden jährlich sein.
Es ist, als hätte ein voll beladener Truck an einer Kreuzung ein Moped gerammt. Immerhin bleibt der Truck stehen, der Fahrer steigt aus. Er entschuldigt sich zwar nicht, reicht dem verletzten Mopedfahrer aber mit Gönnermiene einen Dollar.
Wir müssen uns ehrlich machen: Die Klimakrise ist auch eine Gerechtigkeitskrise. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf, und die Schäden werden so gigantisch sein, dass kein Land der Welt sie kompensieren kann, ohne seine eigene Volkswirtschaft zu ruinieren. Die einzige Möglichkeit, wie die Nationen, die mit Kohle, Öl und Gas märchenhaft reich geworden sind, jetzt das Gesicht wahren können: Sie müssen sich für einen weltweiten, verbindlichen und schnellen Ausstieg aus der Nutzung der fossilen Energien bis zur Mitte des Jahrhunderts einsetzen.
Alles andere wäre ein Fehlschlag – der sich leider schon abzeichnet. Denn Beschlüsse müssen auf der COP28 einstimmig verabschiedet werden. Saudi-Arabien hat schon abgewunken. Und der Präsident der Weltklimakonferenz, Sultan Al-Dschaber, meint zum Ausstieg: nicht nötig.