COP29 in Aserbaidschan Die Klimakonferenz darf nicht zur Greenwashing-Show verkommen

Das autoritär geführte Aserbaidschan könnte die Klimakonferenz im November und die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit dazu nutzen, sich ein grünes und weltoffenes Image zu geben
Das autoritär geführte Aserbaidschan könnte die Klimakonferenz im November und die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit dazu nutzen, sich ein grünes und weltoffenes Image zu geben
© Aziz Karimov / Getty Images
Der 29. UN-Klimagipfel im November wird von Aserbaidschan ausgerichtet – wo Kritiker der Regierung und Klimaaktivisten willkürlich festgenommen werden. Das ist ein Problem für die Glaubwürdigkeit der ganzen Veranstaltung

Der internationale Klimaschutz steckt in einer Krise. Das Limit von 1,5 Grad Celsius zusätzlicher Erwärmung, gesetzt auf der legendären Pariser Klimakonferenz 2015, ist schon heute obsolet. Die Welt steuert auf 2,7 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts zu – mit fatalen Kollateralschäden. Denn die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den größten Diplomatie-Zirkus der Welt schwindet mit jedem unerfüllten Versprechen, mit jedem verfehlten Ziel. Und fast scheint es, als lasse sich dieser Bedeutungsschwund an der Wahl der Veranstaltungsorte ablesen.

Vor einem Jahr fand die COP28 in Saudi-Arabien statt, einem Land, das mit Öl reich geworden ist. Geradezu folgerichtig war der Präsident der Konferenz, Sultan Ahmed al Dschaber, zugleich Chef der nationalen Ölgesellschaft Adnoc. Mit Aserbaidschan fiel die Wahl nun auf ein Land, das zwar weniger zur Klimakrise beigetragen hat als Saudi-Arabien – aber ebenfalls zu einem bedeutenden Teil von fossilen Energien abhängt. Und sie exportiert, zum Beispiel in die Europäische Union. Der Präsident auch hier: ein langjähriger Mitarbeiter eines staatlichen Ölkonzerns. Muchtar Babajew, der heutige Umweltminister des Landes, war 24 Jahre lang für den staatlichen Ölkonzern Socar tätig.

Doch es gibt etwas, was den diesjährigen Austragungsort der wichtigsten Klimakonferenz der Erde sogar noch weitaus fragwürdiger macht: seine Missachtung der Menschenrechte.

Menschenrechtsorganisationen werfen Aserbaidschan willkürliche Verhaftungen vor

NGOs wie Human Rights Watch und Amnesty International beklagen willkürliche Verhaftungen von Menschenrechts- und Klimaaktivisten, sie beklagen – ausgerechnet im Vorfeld der Klimakonferenz – eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit und Behinderung von NGOs. So hat die Regierung mit fingierten Anschuldigungen im April einen langjährigen Menschenrechtsverteidiger, Anar Mammadli verhaften lassen – unter fadenscheinigen Anschuldigungen und zum wiederholten Mal. Mammadli hatte in den Wochen vor seiner Festnahme eine Initiative für Bürgerrechte und Klimagerechtigkeit mitgegründet. Schon seit Juli 2023 sitzt der renommierte Wirtschaftswissenschaftler und Anti-Korruptions-Aktivist Gubad Ibadoghlu in Untersuchungshaft. Sein Thema: Transparenz bei den Einnahmen der wichtigen aserbaidschanischen Öl- und Gasindustrie.

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In Dutzenden Fällen, so Human Rights Watch in einem aktuellen Bericht, seien Menschen "aufgrund konstruierter, politisch motivierter Anschuldigungen verhaftet" worden. Die Regierung habe willkürlich repressive Gesetze durchgesetzt, die die Arbeit unabhängiger Gruppen und Medien kriminalisieren und damit eine strafrechtliche Verfolgung rechtfertigen. Unter diesen Umständen sei es kaum noch möglich, die Öffentlichkeit unabhängig zu informieren. Geschweige denn, die Regierung zu kritisieren. Mit sieben von 100 möglichen Punkten rechnet die Menschenrechtsorganisation Freedom House Aserbaidschan zu den unfreiesten Gesellschaften der Welt.

Und das ist ein doppeltes Problem. Denn die Kaukasusregion gehört zu jenen Weltgegenden, in denen der Temperaturanstieg schon heute deutlich spürbar ist. Klimakatastrophen wie lang anhaltende Dürren und Überschwemmungen treffen diejenigen Menschen zuerst, die am wenigsten haben. Und schränken so Menschenrechte ein – darunter das Recht auf Leben, auf Gesundheit, Wohnen und Wasser. Zugleich verhindert die Einschränkung von Menschenrechten, darunter die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit, einen ambitionierten staatlichen Klimaschutz.

Auf diese doppelte Bedrohung sollten die COP29-Teilnehmenden schon jetzt, aber auch während und nach der Konferenz, unmissverständlich hinweisen. Sie laufen sonst Gefahr, sich zu Erfüllungsgehilfen eines eklatanten Greenwashings zu machen. Wenn die Ausrichter der wichtigsten Klimakonferenz der Welt sich unbehelligt ihrer Kritikerinnen und Kritiker entledigen, kann der internationale Klimaschutz einpacken.