Verkehrspolitik Die Leute wollen das Tempolimit nicht? Stimmt nicht, Herr Wissing!

Autobahn mit unscharfen Fahrzeugen und Lichtern
Mehr Autobahnen, mehr Autos: Der Straßenverkehr boomt in Deutschland
© Arnulf Hettrich / imago images
Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat Forderungen nach einem generellen Tempolimit auf Autobahnen erneut eine Absage erteilt. Und beruft sich dabei auf mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung. Zu Unrecht

Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe. Bundesverkehrsminister Volker Wissing ist ziemlich gut darin, Gründe zu finden. Zum Beispiel Gründe gegen ein generelles Tempolimit. Zur Faktenlage erklärte er jüngst in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe: "Es geistern so viele Zahlen rum". Was wohl so viel heißen soll wie: Der eine sagt dies, der andere das, und was nun stimmt, weiß niemand – Expert*innen des Umweltbundesamtes eingeschlossen. Ob der Bundesverkehrsminister es auch für strittig hält, ob ein Auto, das langsamer fährt, weniger Sprit verbraucht?

Auf Forderungen nach einem generellen Tempolimit angesprochen, antwortet Wissing mit einer schlauen Unterstellung: Wenn flächendeckend auf Autobahnen ein Tempolimit von 120, auf Landstraßen von 80 und innerorts von 30 gelte, habe das in Deutschland keine Akzeptanz. "Das wollen die Leute nicht."

Wissing unterstellt pauschale Ablehnung mit einem fingierten Szenario

Nun hatte allerdings niemand nach genau diesem Szenario gefragt, das Wissing vorschiebt, um den Deutschen eine allgemeine Ablehnung zu unterstellen. Zumindest Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften ist eine Forderung, vor allem aus Umweltverbänden, die eine weitaus geringere Akzeptanz hat als ein generelles Tempolimit auf Autobahnen – das befürwortet laut zahlreichen Umfragen eine Mehrheit der Deutschen. Bei einer Befragung unter den Mitgliedern des ADAC aus dem Jahr 2023 stimmten 54 Prozent der Teilnehmenden für ein generelles Limit. Und die Zustimmung wächst nach ADAC-Angaben von Jahr zu Jahr. In einer Umfrage im Auftrag der "Bild"-Zeitung aus dem vergangenen Jahr sprachen sich sogar 57 Prozent der Befragten für ein Limit von 130 Kilometern pro Stunde aus.

Wenn Wissing von "den Leuten" spricht, meint er wohl vor allem die Anhängerschaft der Anti-Verbotspartei: Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2021 finden sich mit 57 Prozent in den Reihen der FDP, gefolgt von der AfD, die weitaus meisten Menschen, die "voll und ganz" gegen ein generelles Tempolimit sind.

Nun weiß auch Bundesminister Volker Wissing, dass die Emissionen in dem Sektor, den er verantwortet, notorisch zu hoch sind. Doch wie er sie senken will, bleibt außer ziemlich pauschalen Verweisen auf die Digitalisierung und technologische Innovationen nebulös.

Jedes Jahr fahren auf deutschen Straßen mehr Autos, der Trend geht zum Drittwagen, die durchschnittlichen Emissionen pro Fahrzeug steigen, auch weil immer mehr SUV unterwegs sind. Das ist ein Problem, das mit einem Tempolimit allein nicht gelöst werden kann. Aber keinen Anfang zu machen, ist Realitätsverweigerung.

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