GEO: Herr Prof. Lepenies, Sie sagen, ohne Verbot und Verzicht ist die ökologische Wende nicht zu schaffen. Damit stoßen Sie einer Menge Menschen vor den Kopf, die staatlich verordnete Einschränkungen ablehnen.
Prof. Philipp Lepenies: Es ist völlig nachvollziehbar, gegen Verbote zu sein. Als erwachsene Menschen sind wir zurecht der Auffassung, eigenständig Entscheidungen treffen zu können. Da soll uns möglichst niemand reinreden. Gleichzeitig ist völlig klar, dass Verbote zu unserem Leben dazugehören; es wäre naiv, das nicht zu sehen. Umso fragwürdiger ist es, warum es ausgerechnet im Bereich Nachhaltigkeit nicht so sein sollte. Wenn wir die gesetzlich vereinbarten Klimaziele erreichen wollen, werden wir nicht umhinkommen, neben der industriellen Produktion auch bestimmte Verhaltens- und Konsummuster stärker zu regulieren als bisher. Wer so tut, als könnte alles bleiben, wie es ist, irrt.
Heizungstausch, Flugverbot, Tempolimit: Dass solche wenig angenehmen Themen Widerstand provozieren, verwundert nicht.
Über einzelne Maßnahmen kann und sollte man hart streiten. Aber wenn es um die ökologische Transformation unserer Gesellschaft geht, wird von etlichen plötzlich so getan, als seien Verbote illegitime Instrumente des Staates, die per se bekämpft und verhindert gehören. Dieser Reflex macht eine sachliche Auseinandersetzung über notwendige Schritte unmöglich. So kommen wir nicht weiter.
Vielleicht rührt die Ablehnung aber auch daher, dass Verbote vielen als hilfloses Mittel der Politik erscheinen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin kein Verfechter von Verboten, weil ich sie für das beste aller Werkzeuge hielte, das wir haben. Verbote sind immer das Letzte, was man beschließen sollte. Aber so zu tun, als seien sie nicht Teil des politischen Instrumentenkastens, ist schädlich. Verbieten bedeutet nicht, sozial blind zu sein und willkürlich Menschen Lasten aufzubürden, die sie nicht schultern können. In einer Demokratie sollte aber Konsens darüber herrschen, dass in einem großen Strauß transformativer Mittel auch das Verbot einen berechtigten Platz hat.
Sind wir nicht mündig genug, selber zu beurteilen, was gut und richtig ist?