Meeresforschung 13.000 Kilometer für die Liebe – die unglaubliche Reise eines Buckelwals

Buckelwale werden etwa zwölf bis 15 Meter lang und wiegen zwischen 25 und 30 Tonnen. Ihr kräftiger Körper befähigt sie zu außergewöhnlichen Anstrengungen und zu Wanderungen über Tausende Kilometer
Buckelwale werden etwa zwölf bis 15 Meter lang und wiegen zwischen 25 und 30 Tonnen. Ihr kräftiger Körper befähigt sie zu außergewöhnlichen Anstrengungen und zu Wanderungen über Tausende Kilometer
© David Fleetham / Universal Images Group / Getty Images
Wissenschaftler identifizierten über Jahre denselben Wal in drei Ozeanen, jetzt wurden ihre Daten zusammengeführt. Und belegen ein außergewöhnliches Paarungsverhalten 

Ein Buckelwal hat zwischen 2013 und 2022 die längste je dokumentierte Reise seiner Art unternommen – wahrscheinlich, um sich zu paaren. Das Tier schwamm mehr als 13.000 Kilometer zwischen verschiedenen Brutgebieten und durchquerte dabei den Pazifik, den Atlantik und den Indischen Ozean. Das zeigt eine neue Studie unter der Leitung der Meeresbiologin Ekaterina Kalashnikova, die vor einigen Tagen in der Fachzeitschrift "Royal Society Open Science" veröffentlicht wurde.

Atemraubende Bilder: Der Kameramann Patrick Dykstra spürt Wale auf – um sie zu retten
Der Kameramann Patrick Dykstra spürt Wale auf – um sie zu retten

Das umherstreifende Männchen gehörte zu einer Gruppe von Buckelwalen, die 2013 von einem Forschungsschiff aus an der Pazifikküste Kolumbiens fotografiert wurden, 2017 wurde er dort noch einmal gesichtet– und schließlich erneut 2022 in einem Brutgebiet vor Sansibar im Indischen Ozean identifiziert.

Zwischen den Sichtungen liegen 13.046 Kilometer direkte Strecke – die Mindestdistanz für die Route, die das Tier genommen haben könnte. Die Forschenden vermuten allerdings, dass der Buckelwal noch sehr viel weiter schwamm. 

Die Sichtungsbilder des Extremschwimmers: 2013 wurde der Wal im Pazifik vor der kolumbianischen Küste fotografiert, 2017 gelang dies erneut in demselben Brutgebiet. Die letzte Sichtung erfolgte dann 2022 vor Sansibar im Indischen Ozean (von oben nach unten)
Die Sichtungsbilder des Extremschwimmers: 2013 wurde der Wal im Pazifik vor der kolumbianischen Küste fotografiert, 2017 gelang dies erneut in demselben Brutgebiet. Die letzte Sichtung erfolgte dann 2022 vor Sansibar im Indischen Ozean (von oben nach unten)
© N. Botero-Acosta, E. D. Mesa, E. Kalashnikova

Zwar ist bekannt, dass Wale im Unterschied zu allen anderen Säugetieren enorm weite Wanderungen unternehmen, um sich zu paaren – immerhin erstrecken sich die Brutgebiete einiger Arten über mehrere Längengrade des Planeten. Schon früher wurden Walwanderrouten zwischen Futter- und Brutgebieten von mehr als 8000 Kilometern beobachtet. Aber eine derartige Langstreckenwanderung sei "untypisch", so die Forschenden.

In ihrer Studie betonen die Autoren, Buckelwale blieben zwar meist ihren Brutgebieten treu. Es sei aber nicht unüblich, dass männliche Tiere zwischen Brutgebieten hin- und herschwimmen. Das sei im "für Buckelwale charakteristischen polygamen Paarungssystem mit männlicher Dominanz" begründet. Die 13.000-Kilometer-Reise passt jedenfalls zu einem Ausbreitungsschema, bei dem die Männchen im Vordergrund stehen. 

"Es kann nicht genau bestimmt werden, wann dieser Wal sein Brutgebiet gewechselt hat", so Meeresbiologin Ekaterina Kalashnikova, aber die Forscherin ist sicher, dass das Männchen bereits geschlechtsreif war, als es 2013 zum ersten Mal gesichtet wurde. Als der Wal schließlich 2022 vor Sansibar auftauchte war er, wenn man als Geschlechtsreife ein Alter von sechs Jahren annimmt, mindestens 15 Jahre alt. 

Schematische Darstellung der Sichtungen: Ein rotes Dreieck und zwei grüne Kreise stehe für jene Orte zwischen den Brutgebiten C und G, an denen der Wal fotografiert wurde. Die Rechtecke zeigen Futtergründe von Buckelwalen, die Buchstaben A, B, C und G bezeichnen die Brutgebiete in drei Ozeanen   
Schematische Darstellung der Sichtungen: Ein rotes Dreieck und zwei grüne Kreise stehe für jene Orte zwischen den Brutgebiten C und G, an denen der Wal fotografiert wurde. Die Rechtecke zeigen Futtergründe von Buckelwalen, die Buchstaben A, B, C und G bezeichnen die Brutgebiete in drei Ozeanen
 
© Ekaterina Kalashnikova / Royal Society

Warum der Wal derart intensiv zwischen den Brutgebieten wechselte, darüber können die Forschenden nur spekulieren. Eine Erklärung für die ungewöhnliche Erkundung neuer Lebensräume könnten globale klimatische Veränderungen sein. Die Verteilung des Krills in den Südmeeren, Hauptnahrung von Buckelwalen, schwanke jedenfalls jährlich, so die Studie. Das wirke sich auf die Verteilung der Buckelwale in den Futtergebieten aus, sodass sie andere Überwinterungsgebiete ansteuerten, um ihren Energiehaushalt zu optimieren. 

Denkbar sei aber auch, dass plötzliche Anstiege der Buckelwal-Population die Wanderungen auslösten. Junge Tiere wie einst auch dieser Wal müssten dann wegen der Konkurrenz durch größere, etabliertere Männchen neue Brut- und Nahrungsgebiete erkunden.