Sie sind nah. Volodymyr Tkach stiefelt durch den Schlamm im Wald von Winnyzja. An einem Feld bleibt der Förster stehen. "Leise!", flüstert Tkach, ein großer Mann mit Lederstiefeln, Militärjacke und einem Händedruck, der Knochen brechen könnte. Hufe haben tiefe Spuren in den Matsch gedrückt. "Da entlang." Er deutet auf einen Hügel am anderen Ende des Ackers und stapft los. Volodymyr Tkach sucht die Wisentherde in seinem Revier.
Er braucht einen Bullen.

Ihn muss er in die Falle locken: Das Tier soll eine andere Herde retten, in einem rund 300 Kilometer entfernten Wald nahe Kiew, im Nationalen Naturpark Zalissia. Knapp einen Monat lang belagerte Putins Armee das Schutzgebiet. Als das Militär dort abzog, waren von den 22 Wisenten acht verschwunden, darunter alle Bullen. Zurück blieben Minen und eine rein weibliche Herde ohne Überlebenschance. Und so sind die Bullen aus dem westukrainischen Winnyzja die einzige Hoffnung auf Nachwuchs für die Zalissia-Herde.
Tkach und ein Team aus Förstern und Forschenden möchten hier zwei Exemplare fangen und dort wieder aussetzen. Doch der Krieg, ein viel zu warmer Winter und Tretminen im Boden des Parks erschweren das Vorhaben. Und dann sind da noch die schwachen Herzen der Wisente. An dem Schicksal dieser seltenen Tiere zeigen sich die ökologischen Folgen des Krieges, der geschundene Natur als Kollateralschaden hinterlässt.