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Ukraine Wisente geraten im Krieg zwischen die Fronten. Ein gewagter Plan soll sie retten

  • von Merlin Gröber mit Fotos von Sitara Thalia Ambrosio
Als russische Truppen in die Ukraine einfallen, geraten die Wisente zwischen die Fronten. Alle Bullen sterben. Eine weit entfernte Herde ist nun ihre letzte Chance auf Rettung
Eine der letzten wilden Bisonherden der Ukraine nahe der Ortschaft Maidan-Bobryk.
Auf einem Acker in der Nähe der Stadt Winnyzja sammelt sich eine Herde wilder Wisente. Ein Bulle aus ihrer Mitte soll den Forstleuten in die Falle gehen. Er wird gebraucht in einem rund 300 Kilometer entfernten Wald. Die Zeit drängt
© Sitara Thalia Ambrosio für GEO

Sie sind nah. Volodymyr Tkach stiefelt durch den Schlamm im Wald von Winnyzja. An einem Feld bleibt der Förster stehen. "Leise!", flüstert Tkach, ein großer Mann mit Lederstiefeln, Militärjacke und einem Händedruck, der Knochen brechen könnte. Hufe haben tiefe Spuren in den Matsch gedrückt. "Da entlang." Er deutet auf einen Hügel am anderen Ende des Ackers und stapft los. Volodymyr Tkach sucht die Wisentherde in seinem Revier.

Er braucht einen Bullen.

Förster Oleksandr Sivachenko inspiziert den Eingang der Bison-Falle in einem Wald nahe der Ortschaft Maidan-Bobryk
Mehrmals täglich kontrolliert der Förster Oleksandr Sivachenko (l.) die Lebendfallen. Mit Mais und Bohnen will er Wisente hineinlocken
© Sitara Thalia Ambrosio für GEO

Ihn muss er in die Falle locken: Das Tier soll eine andere Herde retten, in einem rund 300 Kilometer entfernten Wald nahe Kiew, im Nationalen Naturpark Zalissia. Knapp einen Monat lang belagerte Putins Armee das Schutzgebiet. Als das Militär dort abzog, waren von den 22 Wisenten acht verschwunden, darunter alle Bullen. Zurück blieben Minen und eine rein weibliche Herde ohne Überlebenschance. Und so sind die Bullen aus dem westukrainischen Winnyzja die einzige Hoffnung auf Nachwuchs für die Zalissia-Herde.

Tkach und ein Team aus Förstern und Forschenden möchten hier zwei Exemplare fangen und dort wieder aussetzen. Doch der Krieg, ein viel zu warmer Winter und Tretminen im Boden des Parks erschweren das Vorhaben. Und dann sind da noch die schwachen Herzen der Wisente. An dem Schicksal dieser seltenen Tiere zeigen sich die ökologischen Folgen des Krieges, der geschundene Natur als Kollateralschaden hinterlässt.

Erscheint in GEO 06/2025