Eine Biografie der Klimatologin Kim Cobb: Das war Jess Wades erster Wikipedia-Artikel. Fünf Jahre ist es her, dass sie ihn verfasste. Wade hatte einen Vortrag der Professorin besucht und war beeindruckt. Doch als sie im Internet mehr über Cobb erfahren wollte, stellte sie überrascht fest, dass die Forscherin keinen Eintrag in der Online-Enzyklopädie besaß. Also griff Wade selbst in die Tasten. Schnell wurde daraus eine Mission. Seit dem 1. Januar 2018 ist das Ziel der Materialforscherin, täglich eine Biografie zu verfassen.
Ein Eintrag auf Wikipedia ist längst keine Frage der Eitelkeit mehr. Vielmehr verleihe er fachliche Glaubwürdigkeit, sagt Wade. Doch die digitale Präsenz hat Schlagseite. Nur 18 Prozent aller Wikimedia-Biografien handeln bislang von Frauen. Auch Menschen aus historisch marginalisierten Gruppen bleiben häufig unsichtbar. "Wikipedia wird von fast allen Bereichen der Gesellschaft genutzt", sagt Wade. "Doch auch wenn sie sich vollständig anfühlt, gibt es große Lücken."
Jess Wade hat mehr als 2000 Artikel auf Wikipedia verfasst
Diese Lücken möchte sie schließen, zumindest in der Wissenschaft. Bislang hat sie mehr als 2000 Artikel verfasst. Etwa über Gladys West, eine schwarze amerikanische Mathematikerin, deren Berechnungsmodell zur Erdform maßgeblich zur Entwicklung des GPS-Systems beitrug.
Oder über Ben Britton, Experte für Reaktorsicherheit, der sich für Rechte von Forschenden aus der LGBTQIA+-Gemeinschaft einsetzt. "Es gab noch keinen Abend, an dem ich mich an den Rechner gesetzt habe und nicht wusste, über wen ich schreiben soll", sagt Wade.
Sie selbst begriff erst als Doktorandin, wie sehr ihr eigenes Feld männlich und weiß dominiert ist: Im Forschungsteam war sie die einzige Frau. "Physik studieren vor allem Menschen mit privilegiertem Hintergrund", weiß sie heute. Um das zu ändern, versuchte sie zunächst, Schülerinnen und Schüler für Naturwissenschaften zu begeistern.
Ihre Biografien auf Wikipedia heben die Mission auf eine neue Ebene. Sie machen die Arbeit Forschender nicht nur ausgewählten Kindern, sondern vielen Menschen weltweit zugänglich – und schaffen so diverse Vorbilder.
Für ihr Engagement erhielt Wade bereits die Auszeichnung "Wikimedianerin des Jahres" sowie die British-Empire-Medaille. Einen eigenen Wikipedia-Eintrag besitzt sie inzwischen in 26 Sprachen.