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Australien Stolen Generations: Vom Schicksal der geraubten Kinder

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60 Jahre lang lassen australische Behörden Aborigine-Kinder aus ihren Familien entführen. Rund 50.000 Jungen und Mädchen wachsen in Heimen, bei Pflege- und Adoptivfamilien auf, abgeschnitten von ihrer Kultur, oft misshandelt und gedemütigt, geschult zu Dienstmägden und Farmarbeitern. Vor allem Kinder, die europäischstämmige Väter haben, suchen die Beamten heraus: Das Erbe der Ureinwohner soll aus ihnen herauserzogen werden
Gruppenfoto: Mixed Kinder
Ab 1911 gelten in Australien Gesetze, nach denen Kinder ohne Gerichtsbeschluss oder Zustimmung der Eltern in Heime gesteckt werden dürfen. Doch um 1900 schickt die Regierung von Queensland angebliche "Streuner" in die Obhut von Missionaren
© John Oxley Library, State Library of Queensland

Es ist nicht leicht, dieser Güte zu entfliehen. 

"Wir sahen einen Missionar kommen. Eine meiner Tanten rollte mich zusammen wie eine Art Schlafsack und versteckte mich, aber ich muss mich bewegt haben, und er holte mich raus und sagte zu mir: ‚Ich gebe dir einen Lutscher, und wir machen einen Ausflug nach Oodnadatta.' Sie setzten mich in einen Zug, und meine Großmutter folgte dem Zug - sie rannte hinter dem Zug her und sang mir nach. Da sang ich zurück: ‚Ich komme wieder!' Ich dachte, ich fahre in die Ferien oder so etwas." (Zeugenaussage Nr. 382) 

"Sie setzten uns in den Polizeitransporter und sagten, sie würden uns nach Broome bringen. Sie setzten auch unsere Mütter hinein. Doch als wir gerade losgefahren waren, hielten sie an und warfen die Mütter aus dem Auto. Wir sprangen auf die Rücken unserer Mütter, weinten, wir wollten nicht zurückgelassen werden. Doch der Polizist zerrte uns herunter und warf uns zurück ins Auto." (Zeugenaussage Nr. 821) 

"Sie behielten uns drei Tage lang im Krankenhaus, und ich fragte immer wieder: ‚Wann sehen wir unsere Mama?' Und niemand hat es uns gesagt. Und ich glaube, am dritten oder vierten Tag steckten sie uns in das Auto, und ich fragte: ‚Wohin fahren wir?' Und sie sagten: ‚Wir fahren zu eurer Mutter.' Aber wir bogen nach links zum Flughafen ab, und ich wurde ein bisschen nervös. Ich hatte ein kleines Baby in meinen Armen, und sie setzten uns in das Flugzeug. Und sie sagten uns immer noch, wir würden Mama sehen." (Zeugenaussage Nr. 318) 

Es ist eine gnadenlose Hilfe, eine unbarmherzige Fürsorge, eine mörderische Nächstenliebe, die über ein halbes Jahrhundert den Kontinent durchstreift. 

Erschienen in GEO Epoche Nr. 36 (2009)