Der Präsident hat Verspätung. "Wir sind in fünf Minuten da", funkt ein Agent des Secret Service um 12.29 Uhr aus dem Wagen an der Spitze der Fahrzeugkolonne an die Kollegen in einer Veranstaltungshalle im Nordwesten von Dallas. 2600 Gäste warten dort auf ein Festessen mit John F. Kennedy, Fernsehkameras sind für die Live-Übertragung seiner Rede aufgebaut.
Der Präsident bereitet mit dieser Reise in die texanische Metropole den Wahlkampf für seine zweite Amtszeit vor. Seit gut 30 Minuten bewegt sich der Fahrzeugtross vom Flughafen durch die Stadt. Mehr als 200.000 Zuschauer säumen die Straßen, jeder vierte Einwohner von Dallas jubelt Kennedy zu. Ein überraschend positiver Empfang. Denn zuletzt waren Kennedys Umfragewerte in Texas gesunken. Vielen Wählern in dem Südstaat ist seine Bürgerrechtspolitik zu liberal, sein Auftreten gegenüber der UdSSR zu weich. Dallas gilt zudem als Zentrum rechter Fanatiker.
Es hatte Warnungen vor dem Besuch in der Stadt gegeben
In der Stadt kursieren seit dem Vortag 5000 Flugblätter, die wie Steckbriefe aussehen und Kennedy des Landesverrats beschuldigen; gedruckt hat sie ein Aktivist aus rechtsradikalen Kreisen. Es hat Warnungen vor dem Besuch in der Stadt gegeben, ein texanischer Politiker der Demokratischen Partei riet in einem Brief an Justizminister Robert Kennedy von der Reise ab. Ein Mitarbeiter des Weißen Hauses entschied jedoch, es sei Zeitverschwendung, dem Präsidenten das Schreiben vorzulegen. Texas ist für Kennedys Wiederwahl unverzichtbar; ein besorgter Brief hätte ihn gewiss nicht von der Fahrt abgehalten.
Der 22. November 1963 ist ein sonniger Tag und mit 18 Grad Celsius mild. Kennedy hat daher das Dach der dunkelblauen Präsidentenlimousine abnehmen lassen. Neben ihm im Lincoln Continental sitzt seine Frau Jacqueline, davor hocken auf Klappsitzen John Connally, der demokratische Gouverneur von Texas, und dessen Ehefrau Nellie. Je zwei Motorräder flankieren die Limousine zu beiden Seiten. Dahinter folgt ein Cadillac mit Secret-Service-Beamten und Mitarbeitern des Präsidenten, dann der Wagen von Vizepräsident Lyndon B. Johnson sowie 26 weitere Fahrzeuge mit Sicherheitsleuten, Journalisten und lokalen Würdenträgern.