Durch Moskau dringt das Dröhnen schwerer Militärfahrzeuge. Hunderte Panzer und Truppentransporter rollen in Richtung Zentrum: 4000 Soldaten haben den Befehl erhalten, in die Stadt einzurücken. Das Militär riegelt am frühen Morgen dieses 19. August 1991 die Hauptkreuzungen ab, den Roten Platz, das Telegraphenamt, den Amtssitz des Bürgermeisters, das Fernsehzentrum im Nordosten der Stadt und das Weiße Haus an der Moskwa – Sitz der Regierung und des Parlaments der Sowjetrepublik Russland.
Doch es bleibt ruhig. Überall versammeln sich Menschen auf den Bürgersteigen, drängen zwischen Panzer und Fahrzeuge, beginnen Gespräche mit Soldaten. Viele erfahren erst jetzt, was in den Sechs-Uhr-Nachrichten verkündet worden ist: Michail Gorbatschow, der KP-Chef und Präsident der Sowjetunion, sei krank, daher habe Vizepräsident Gennadij Janajew sein Amt übernommen und den Ausnahmezustand verhängt.
Tatsächlich sitzt Gorbatschow in seiner Ferienvilla auf der Krim fest. Eine Gruppe hoher Funktionäre hat ihn am Tag zuvor isoliert, um die Unterzeichnung eines Vertrags zu verhindern, der den Republiken der UdSSR mehr Souveränität gewähren soll. Das wäre, so sehen es die Funktionäre, das Ende der Sowjetunion – und ihrer Karrieren.