Um 1900 ist das Deutsche Reich im Umbruch, die Industrialisierung in vollem Gang. Unter Kaiser Wilhelm II. wandelt sich Deutschland endgültig vom Agrar- zum Industriestaat, übertrumpft in der Chemie- und Elektroproduktion schon bald Großbritannien und die USA. Das Eisenbahnnetz vervierfacht sich, wächst von 1866 bis 1913 auf 63.378 Kilometer.
Autos hingegen sind noch rar, die Entwicklung ist noch jung. Erst 1886 hat der deutsche Erfinder Carl Benz das Patent für seinen Motorwagen angemeldet, im Jahr 1895 fertigt die Firma Benz 120 Exemplare, Daimler sieben. Aber der Verbrennungsmotor ist nur eine Möglichkeit, einen Wagen anzutreiben. Eine andere Variante bedient sich der Kraft der Elektrizität.
Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts experimentieren Tüftler damit, Gefährte zu Land und zu Wasser mit Elektromotoren anzutreiben. 1881 stellt der französische Ingenieur Gustave Trouvé den ersten strombetriebenen Personenwagen vor, wegen seiner drei Räder "Trouvé Tricycle" genannt. Im Jahr 1900 gewinnen die österreichischen Lohner-Werke auf der Weltausstellung in Paris mit einem von Ferdinand Porsche konstruierten E-Mobil eine Goldmedaille. Lohner hat bereits die Umwelt im Blick: die Luft, so der Unternehmer, werde von "in großer Anzahl auftretenden Benzinmotoren erbarmungslos verdorben".
Elektromobilität war am Anfang die Technologie der Wahl
Einige Jahre gilt die abgasfreie, einfach zu bedienende Technik daher in vielen Staaten als erste Wahl. 1905 wechseln in Berlin mehr Elektroautos als Verbrenner den Besitzer. Und zwei Jahre später präsentiert Kaiser Wilhelm II., der – so heißt es zumindest – ohnehin Pferde den stinkenden Benzinern vorzieht, drei "Mercedes Electrique" aus seinem Fuhrpark auf der Automobilausstellung der deutschen Kapitale.
Vor allem aber in den USA ist das Elektroauto beliebt. Allein: Der Batteriestrom reicht nur für rund 80 Kilometer. Zu wenig für das gewaltige Land.
Als dann auch noch 1911 der elektrische Anlasser erfunden wird, der das lästige Ankurbeln beim Starten von Verbrennungsmotoren ersetzt, und Benzin im beginnenden Öl-Boom immer günstiger wird, verschwinden die E-Mobile beinahe ganz vom Markt.
Erst in den 2000er-Jahren kehren sie im großen Stil zurück, mit leistungsstärkeren Batterien und als umweltfreundliche Alternative zum Verbrenner. 2023 ist das weltweit am häufigsten verkaufte Modell ein Auto mit Elektromotor.
Quellen u.a.: Die Geschichte von Porsche beginnt elektrisch sowie Schon Kaiser Wilhelm II. wurde im E-Auto gefahren
Das Zeitalter des Öls: Wie ein Rohstoff die Welt eroberte
Der Geschichte des Automobils widmet sich auch ein Text in der neuen Ausgabe von GEO EPOCHE "Öl – Wie ein Rohstoff die Welt eroberte". Erdöl befeuert die Moderne seit dem späten 19. Jahrhundert, durchdringt das Wesen unserer Zivilisation. Es treibt Autos, Züge und Flugzeuge an, bringt Verkehr und Wohlstand hervor, Dünger, Kunststoffe, Medikamente – aber auch heftigste Ungleichheit, Gewalt, Umweltzerstörung. Und viele eindrucksvolle Geschichten über Segen und Fluch des schwarzen Goldes: ab sofort und so lange der Vorrat reicht hier zu erwerben.