Finanzbetrug Charles Ponzi stieg 1920 zum König der Schwindler auf – und ruinierte Tausende

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Schwarz-weiß Aufnahme zeigt Ponzi mit Gefangenen-Nummer um den Hals
Der Italiener Charles (eigentlich Carlo) Ponzi war 1903 in die USA emigriert. Bald sammelt er Erfahrung als Krimineller: Bei einer Bank in Kanada fälscht er einen Scheck, fliegt auf - und muss dafür ab 1908 für 20 Monate ins Gefängnis
© Bureau of Prisons/ Getty Images
Es ist der größte Finanzbetrug, den die Welt bis dahin gesehen hat: Um 1920 setzt der italienische Immigrant Charles Ponzi in Boston ein vielversprechendes Geschäft in Gang. Er zahlt stattliche Renditen, gewinnt Anleger, errichtet ein millionenschweres Imperium. Der einzige Haken: Alles beruht auf einem gewaltigen Bluff

 

Macht dieser Mann den amerikanischen Traum wahr, für Tausende und Abertausende Menschen? Das Versprechen von schnellem Geld, von Aufstieg und Reichtum, das dieses Land allen gibt und nur für wenige einlöst?

Keine 1,60 Meter misst Charles Ponzi, ein Einwanderer, der, wie er später schreiben wird, mit 2,50 Dollar in der Hosen­tasche in den Vereinigten Staaten angekommen ist und seinen ita­lienischen Vornamen Carlo amerikanisiert hat. Tiefe Lachfalten umgeben die schwarzbraunen Augen des schmächtigen Enddreißigers, und jeder, der ihn erlebt, ist beeindruckt von seiner Energie und der unzähmbaren Zuversicht, die er ausstrahlt.

Ein blauer Locomobile – glänzender Lack, Zierleisten aus Sterling-Silber und mit Pferdehaaren gepolsterte Sitze – trägt ihn an diesem schwülen Neuengland-Sommermorgen Ende Juli 1920 über das Kopfsteinpflaster der Altstadt von Boston. Mit Limousinen dieser Luxusmarke sind sonst nur Amerikas Präsidenten oder Mogule wie die Rockefellers unterwegs. Ponzi hat es einem New Yorker Millionär weggeschnappt, indem er dem Hersteller einfach ein Bündel Dollarscheine mehr auf den Tisch legte.

Ehrfürchtig teilt sich die Menge, als sein Chauffeur den Wagen in die schmale School Street lenkt, wo sich Ponzis Büro befindet. Hunderte warten davor, Männer und Frauen, junge Laufburschen, Familienväter, hier und da ein gepflegter alter Herr im Dreiteiler. Ein mächtiges Gedränge und Geschiebe. Sie alle lockt Ponzis Angebot, von dem ihnen ihre Nachbarn, Verwandten oder Arbeitskollegen erzählt haben. 

Es klingt aber auch zu gut: Wer bei Ponzi einsteigt, erhält nach 45 Tagen das Anderthalbfache des investierten Betrags zurück, bei längerer Anlagezeit sogar noch mehr – mindestens 50 Prozent Gewinn, 100 Prozent sicher! Wer aussteigt, bekommt sein Geld zurück. Und bisher hat dieser Mann Wort ­gehalten.

Erschienen in GEO Epoche Nr. 106 (2020)