Abo testen Login

Floreana-Fehde Ein Auswanderer-Albtraum: Die wahre Geschichte hinter dem Kinofilm "Eden"

Als vor über 80 Jahren ein deutsches Paar auf eine menschenleere Pazifikinsel zieht, wähnt es sich im Garten Eden. Doch Nachahmer folgen und bald schon mutiert das Paradies zur Hölle. Ein Drama in fünf Akten
Friedrich Ritter mit seiner Geliebten Dore Strauch
Adam und Eva anno 1932: der Arzt Friedrich Ritter mit seiner Geliebten Dore Strauch auf Floreana 
© CAP/NFS / imago images

1. Akt: Ankunft in der Einsamkeit 

September 1929: Von solch einer Insel hat er 20 Jahre lang geträumt. Graugrüne Vulkanbuckel, unwirtlich, schroff. Menschenfeindlich wie er selbst: Floreana, im Süden des Galápagos-Archipels, 1000 Kilometer vom Festland entfernt.

Alle, die zuvor versucht haben, sich hier anzusiedeln, sind gescheitert. Das ist sein Ansporn. Auf dieser unbewohnten Pazifikinsel will Friedrich Ritter, 43, Arzt aus Berlin, eisblaue Augen, Löwenmähne auf Quadratschädel, Welt- und Menschenverächter, als moderner Robinson sein "großes Ideal der Einsamkeit" leben.

Wenn auch lieber nicht völlig allein. An seiner Seite hinkt eine schmale Frau den Strand entlang: Dore Strauch, ehemals Ritters Patientin und nun seine Geliebte, die wegen ihrer Multiplen Sklerose ein Bein nachzieht. Für Ritter ist sie "eine geistesverwandte Pilgerin auf dem Weg zur ewigen Weisheit". Sie hält ihn für ein Genie. Dores gehörnter Ehemann hatte zum Abschied gesagt, sie müsse wohl unter Hypnose stehen, um mit diesem Kerl durchzubrennen.

Szenenbil "Edene", Jude Law und Vanessa als Dr. Friedrich Ritter und Dora Strauch
© LEONINE Studios

Mit dem Survival-Thriller "Eden" kommt die rätselhafte Geschichte der deutschen Aussteiger am 3. April in die Kinos. Zahnarzt Dr. Friedrich Ritter wird von Jude Law verkörpert, Vanessa Kirby spielt seine Lebensgefährtin Dore Strauch. Ebenfalls dabei: der deutsche Schauspieler Daniel Brühl in der Rolle des Heinz Wittmer. Oscar-Preisträger Ron Howard ("A Beautiful Mind") führte Regie.

Zahnlos wie ein Greis betritt Ritter sein Paradies, die "überflüssigen Dinger" hat er sich ziehen lassen. Was soll er mit Zähnen, die sich fern jeder Arztpraxis entzünden könnten? Ein Gebiss aus rostfreiem Stahl tut es auch. Als Vegetarier will er sich ohnehin nur von Obst und Gemüse ernähren. Das gehört zu seinem Lebenskonzept: Auf Floreana plant der Nietzsche-Anhänger ein bahnbrechendes philosophisches Werk zu schreiben, einschließlich einer Ernährungslehre, die Mehl, Fleisch, Alkohol und die Fresssucht als Wurzeln von Krankheit und Altern entlarvt. Um seine Lehre zu beweisen, will Ritter 140 Jahre alt werden.

Floreana. Gut 170 Quadratkilometer groß, wüste Küsten, nebelfeuchte, waldbestandene Berghänge. Auf einem Plateau drei Kilometer vom Strand entfernt, wo ein Bach fließt, siedeln sich Ritter und Strauch an. "Frido" taufen sie den Platz, eine Verschmelzung ihrer Vornamen. Das klinge so schön nach "Frieden", findet Dore. 

Über Wochen schleppen sie Kisten, Koffer, Zinkbadewannen, Werkzeuge, Dachpappe, mehr als zehn Zentner Pflanzen und Samen vom Strand, wohin sie ein Frachtsegler aus Ecuador gebracht hat, nach Frido. Ihr Lastpferd verendet. Ritter zimmert aus Akazienholz eine Hütte, die derart schief steht, dass sie an ein Dinosaurierskelett erinnert. Nackt leben sie fortan und fühlen sich wie Adam und Eva.

Erschienen in GEO Spezial Nr. 1 (2010)

Mehr zum Thema