Pfingsten Beten und feiern: Die Party-Wallfahrt nach El Rocío

Gläubige wandern durch Pinienwald
Gläubige wandern durch den Nationalpark Coto de Doñana in Andalusien. In ihrer Mitte: ein Planwagen mit dem Abbild der Muttergottes
© Kevin Faingnaert
Hunderttausende pilgern zu Pfingsten nach El Rocío, Andalusien. Zu Fuß, auf dem Pferd oder im Jeep brechen sie auf zu einer Mischung aus Wallfahrt und Folkloreshow – mitten durch einen Nationalpark

Die Hitze steht schon vormittags über den Dünen, 30 Grad warm kann es um diese Zeit im Westen Andalusiens werden, auch im Mai. Die Pilger brechen deshalb früh auf. Sie packen Zelte, Grills und Kochtöpfe zusammen, verstauen Gitarren und Campingstühle, Koffer und Weinfässer in Eselskarren und Wohnwagen – und ziehen weiter. Schließlich liegt noch ein langer Tagesmarsch vor ihnen: Sie wollen nach El Rocío, einem kleinen Ort nahe der spanischen Atlantikküste.

Hunderttausende feiern dort in jedem Jahr Pfingsten – eine Mischung aus Wallfahrt und Folkloreshow, Familientreffen und Massenspektakel. Das Fernsehen überträgt live, wenn die Marienstatue von El Rocío durch die Straßen getragen wird. Sie zu berühren soll Glück bringen. Um diesen Moment zu erleben, wandern Gläubige und Schaulustige vier Tage lang durch die umliegenden Hügel zum Wallfahrtsort – ein Tross aus Reitern, Jeeps und Pferdekutschen. 

Auf Wem nach El Rocío wird gebetet – und gefeiert

Diese Tour macht für viele Teilnehmer den besonderen Zauber der Wallfahrt aus. Denn an den Rastplätzen entlang der Strecke, mitten in der Natur, wird nicht nur gebetet, sondern auch gefeiert: mit Tanz, religiösen Gesängen und viel Sherry. Erst spät in der Nacht kriechen die Reisenden dann in ihre Zelte oder ziehen sich in Luxuscamper zurück; immer mehr Pilger sind motorisiert.

Dass die Wallfahrer hier wandern, feiern und nächtigen dürfen, ärgert Naturschützer. Die Region rund um El Rocío unterliegt strengen Auflagen: Den dortigen Nationalpark Coto de Doñana dürfen Besucher im Rest des Jahres nur mit Voranmeldung betreten. Zur alljährlichen Wallfahrt aber stapfen viele Hundert Menschen durch die Dünenwälder, Geländewagen pflügen tiefe Rillen in den Sand. Immerhin sammeln die Pilger seit einigen Jahren ihren Müll auf, so betonen sie.

Die festlich gekleideten Männer und Frauen – er mit Hut und Bolerojäckchen, sie im Flamencokleid – folgen traditionellen Routen: Bereits seit 1758 findet die Wallfahrt statt, Bruderschaften aus ganz Andalusien reisen dafür auf festgelegten Wegen an. 

Auf reich geschmückten Wagen präsentieren sie die Standarte ihrer Heimatkirche, außerdem führen sie kleine Kopien der Maria von El Rocío mit sich, einer Holzstatue von Maria mit dem Kinde – das Original sollen Jäger im 13. Jahrhundert in der Nähe des Wallfahrtsortes gefunden haben.

Der italienische Barockkünstler Caravaggio, von dem alle Abbildungen in diesem Beitrag stammen, malt zahlreiche Szenen aus Jesu Leben und Tod. In diesem Gemälde zeigt er die Skepsis eines Jüngers, der die Wunden des angeblich Auf­erstandenen untersucht (»Der ungläubige Thomas«, um 1603)

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Dort treffen Freitagnacht die ersten Prozessionen ein. Nur rund 1600 Menschen leben in El Rocío, die meiste Zeit des Jahres gleicht das Dorf einer Westernstadt: Kaum eine Straße ist befestigt, stattdessen liegt Sand zwischen den Häusern – ein Erbe der Wallfahrtstradition. Denn die Körner sind ein idealer Untergrund für die Pferdehufe. Knapp eine Million Menschen kommen zu Pfingsten in den kleinen Ort.

Seit Jahren aber beobachtet der Vatikan die Wallfahrt argwöhnisch: zu viel Tanz, Sex, Alkohol. Denn längst zieht die wilde Party auch junge Leute aus dem nahen Sevilla an. Selbst die heilige Jungfrau wird geklaut: In der Nacht von Pfingstsonntag zu -montag überspringt traditionell eine der Bruderschaften die Absperrung zur verehrten Statue und startet so die eigentliche Prozession. Über Stunden wird die Maria danach durch El Rocío getragen. Dann liegen sich alle in den Armen. Dank Sherry oder Madonna.