Erneuerbare Energien Studie: So könnte die Ukraine ihre Stromversorgung wieder aufbauen

Zerstörter russischer Panzer bei Kiew: Forschende sehen trotz der anhaltenden Verwüstungen durch russischen Beschuss gute Chancen für den Wiederaufbau der ukrainischen Stromerzeugungskapazität – mit Erneuerbaren
Zerstörter russischer Panzer bei Kiew: Forschende sehen trotz der anhaltenden Verwüstungen durch russischen Beschuss gute Chancen für den Wiederaufbau der ukrainischen Stromerzeugungskapazität – mit Erneuerbaren
© Maxym Marusenko / NurPhoto / Getty Images
Seit dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine zerstört russisches Militär systematisch die Infrastruktur des Landes. Wie könnte die Energieversorgung schnell und sicher wieder aufgebaut werden? Mit Wind- und Sonnenenergie, sagen Forschende aus Deutschland und der Ukraine

Ohne Strom geht in modernen Gesellschaften nichts. Weder in Krankenhäusern noch in Fabriken, Banken oder Büros. Und auch das Militär ist auf elektrische Energie angewiesen. Das wissen auch Angreifer. Seit Beginn der Invasion in der Ukraine im Februar 2022 zerstörte russisches Militär systematisch Kraftwerke, Umspannwerke und Infrastruktur, besonders im Osten des Landes, wo sich die leistungsstärksten Anlagen befinden.

Mehr als 70 Prozent der Strom-Infrastruktur des Landes wurden bis heute zerstört, beschädigt oder besetzt. Die gesamte Produktionskapazität sank auf ein Drittel der Vorkriegskapazität. Ukrainerinnen und Ukrainer erwarten mit Sorge vor Stromabschaltungen den dritten und vielleicht den härtesten Kriegswinter. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Bestandsaufnahme von Forschenden der ETH Zürich, der TU München und der Nationalen Technischen Universität für Öl und Gas in Iwano-Frankiwsk.

Doch das Wissenschaftsteam ermittelte nicht nur das erschreckende Ausmaß der Zerstörung. In ihrer Analyse zeigen die Forschenden auch Wege zurück in die Normalität auf.

Schneller und sicherer Wiederaufbau der Stromversorgung mit Erneuerbaren

Bei der Frage nach der besten Strategie für den Wiederaufbau leiteten die Forschenden vier Kriterien: Schnelligkeit des (Wieder-)Aufbaus, Widerstandsfähigkeit gegenüber feindlichen Angriffen, Unabhängigkeit von Russland und Attraktivität für ausländische Investoren. Alle vier Kriterien erfüllen nur Wind- und Solarenergie, so die Autorinnen und Autoren der Studie.

Durch erneuerbare Energien "werden nicht nur Abhängigkeiten minimiert und die Stromversorgung resistenter gegenüber Angriffen gemacht", sagt Prof. Dr. Marie-Louise Arlt von der Universität Bayreuth in einer Presseerklärung. Es sei auch ein weiterer Schritt hin zur Energiewende.

Windenergieanlagen etwa können der Studie zufolge mit einer Bauzeit von durchschnittlich einem Jahr deutlich schneller in Betrieb genommen werden als Kernkraftwerke, deren Errichtung rund siebeneinhalb Jahre beansprucht. Zudem sind einzelne Windkraftanlagen im Gegensatz zu großen Kraftwerken – von denen russisches Militär praktisch alle angegriffen und beschädigt hat – kaum lohnende Ziele für Bomben, Drohnen und Raketen.

Das Potenzial für Wind- und Sonnenenergie ist den Forschenden zufolge riesig. Mit 219 Gigawatt möglicher installierter Leistung übersteigen die Erneuerbaren die bisherige Erzeugungskapazität der Ukraine von 59 Gigawatt sogar um ein Vielfaches.

Eine dezentrale Stromversorgung hätte den Forschenden zufolge nicht nur den Vorteil, dass sie widerstandsfähiger gegen die russische Aggression ist: Strom aus Wind und Sonne würde die Ukraine auch zu einem attraktiven Geschäftspartner für EU- und OECD-Länder machen. Und vielleicht zu einem Vorreiter in Sachen Klimaschutz in Europa.