Beschwerliche Tour 160 Kilometer durch Katalonien und Aragonien: Bei den letzten Wanderhirten Spaniens

Rinder grasen in der Schlacht von Salvasoria
Rast über der Schlucht von Salvasoria im Osten Spaniens: Zweimal im Jahr treiben Hirten ihre Rinder hier entlang
© Mark Rammers
Schon seit dem Mittelalter durchziehen Pfade für Ziegen, Schafe und Kühe ganz Spanien. Es ist ein Netzwerk aus Hütten, Tränken und Scherstationen. Heute gibt es nur noch wenige Wanderhirten – und sie stehen vor großen Herausforderungen

Plötzlich legt sich Glockengebimmel über das Tal: Die Rinder sind zurück. Begleitet vom Klang der Schellen um ihren Hals trotten die schweren Tiere auf die Bergkuppe, hoch über der Schlucht von Salvasoria gelegen. Dann schnappen sie dort nach frischen grünen Halmen.

Auf diesen Wiesen werden sie rasten: Die Kühe sollen sich satt fressen. Dann zieht die Herde weiter, bis hinauf nach Fortanete, auf fast 1500 Metern: Zehn Tage lang treiben Maria-Pilar und Juan Martorell-Gargallo die Rinder zu ihrer Finca, fort von den nun trockenen Ebenen des Ebrodeltas in Katalonien hoch zu den Kalkrücken des Maestrazgo-Gebirges im Süden Aragoniens. Eine Tour von knapp 160 Kilometern. Die Geschwister gehören zu den letzten Wanderhirten Spaniens.

Wanderhirten in der sechsten Generation

Jedes Frühjahr führen sie ihr Vieh von den Winter- zu den Sommerweiden, quer durch die Dörfer und Schluchten der Provinz Teruel. Mit schrillen Pfiffen treiben sie die Tiere nun die letzten Meter empor. Doch kurz vor dem Ziel entwischt eine Kuh. Maria-Pilar, genannt Mapy, setzt ihr nach und weist ihr resolut einen Weg über die Trockenmauer. Dann kann auch sie im Schatten eines Baumes ausruhen.

Die Kunst des Viehtreibens lernte die 34-Jährige von ihrem Vater Lionel: Schon als junges Mädchen nahm er sie mit auf die beschwerlichen Touren vom Mittelmeer in die Berge, genauso wie ihren drei Jahre älteren Bruder. Früh lernten die beiden das Reiten – schließlich lebt die Familie schon in sechster Generation von der Wanderviehwirtschaft. Juan und Mapy kombinieren Tradition mit moderner Vermarktung: Das Fleisch ihrer Rinder verkaufen sie online, per Direktvertrieb.

Maria-Pilar und Juan Martorell-Gargallo stehen auf einer Wiese
Maria-Pilar und ihr Bruder Juan Martorell-Gargallo haben die Kunst des Viehtreibens von ihrem Vater gelernt
© Mark Rammers
Die Routen der Wanderhirten führen mitten durch Dörfer, hier La Iglesuela del Cid in Aragonien
Die Routen der Wanderhirten führen mitten durch Dörfer, hier La Iglesuela del Cid in Aragonien
© Mark Rammers

Spaniens Wanderhirten trieben schon im Mittelalter auf den Pfaden von heute ihre Ziegen, Schafe und Kühe. Die Wege durchziehen das ganze Land – ein 125 000 Kilometer langes Netzwerk mit Hütten, Tränken und Scherstationen. Heute fordert auch die ökologische Forschung den Schutz der noch erhaltenen Wege. Denn auf den kurz gefressenen Flächen an ihrem Rand siedeln zahlreiche auf Grasland spezialisierte Arten. Dazu auch Kaninchen: wichtige Beute für Luchs, Adler und Geier.

Juan Martorell-Gargallo aber bereiten die steigenden Temperaturen Sorge: Immer früher im Jahr trocknen die Wiesen im Tal aus. Und oben in den Bergen beginnt das Grün mitunter gar nicht erst zu sprießen. Diesmal aber konnte er das Vieh sicher hinauf zur Finca der Familie bringen. Und wenn der erste Schnee fällt, kommt mit den Rindern auch das Glockengeläut zurück ins Tal.

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