GEO: Früher waren Sie Milchbauer, heute ernähren Sie sich vegan und geben ehemaligen Nutztieren ein Zuhause, in dem sie alt werden dürfen. Woher der Sinneswandel?
Jan Gerdes: Ich war nicht der geborene Bauer. So, wie meine Eltern Landwirtschaft betrieben haben, wollte ich das nie. Nachdem ich 1981 den Hof von meinem Vater übernommen hatte, bin ich schnell in Kontakt mit biologisch wirtschaftenden Bauern gekommen. So wollte ich den Hof dann auch bewirtschaften. In der Öffentlichkeit wird es oft so dargestellt, als sei bei Biobauern alles besser als in der konventionellen Landwirtschaft. Ich habe aber relativ schnell gemerkt, dass es kaum einen Unterschied gibt. Entscheidend ist, wie der Mensch selbst mit Tieren umgeht. Das hat mit Bio oder Nicht-Bio eigentlich nichts zu tun. Und gerade in der Biolandwirtschaft ging es viel um fruchtbare Böden und gesundes Gemüse ohne Pestizide. Die Tiere spielten eigentlich keine Rolle.

Für Sie waren aber die Tiere ausschlaggebend?
Ja, für mich gab es nur Kühe, weil das hier eine reine Grünlandgegend ist. Also machte ich mir Gedanken, wie man als Biobauer eine vernünftige Tierhaltung betreiben kann. Ich habe damit angefangen, in meinem Stall die Fenster zu vergrößern, damit mehr Licht hereinkommt. Oder die Ketten zu lösen, damit die Kühe im Winter zumindest für eine Stunde nach draußen konnten. Es sollte werden, wie man es den Verbrauchern oft erzählt: Es sollten glückliche Tiere sein. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto verzweifelter wurde ich, weil es nicht funktionierte. Freiheit gibt es nicht, man tut den Tieren Gewalt an. Man trennt Freundschaften. Dann stehen zum Beispiel die Kühe in einer Gruppe zusammen, die viel Milch geben. Kühe, die wenig Milch geben, werden aus der Herde wieder rausgenommen.