Welche Vorzüge es hat, die Welt blitzschnell erfassen zu können, lässt sich besonders gut an Insekten studieren. Zwar sehen Kerbtiere ihre Umwelt bei Weitem nicht so scharf wie Menschen. Erstaunlicherweise sind Raubfliegen oder Libellen dennoch hervorragende Jäger, die andere Insekten in der Luft verfolgen und sie in rasantem Flug ergreifen können.
Das verdanken die Flugkünstler vor allem einem hohen zeitlichen Auflösungsvermögen: Sie erkennen bis zu 300 voneinander getrennte Bilder in der Sekunde. Ein Hundeauge ist dagegen gerade einmal in der Lage, etwa 75 Bilder pro Sekunde zu unterscheiden. Deshalb sehen Fliegen selbst die schnelle Bewegung einer zuschlagenden Hand wie in Zeitlupe – und können rechtzeitig entwischen.
Doch auch unter uns Menschen gibt es manche, die flinker reagieren als andere. Wie ein Team des Trinity College in Dublin herausgefunden hat, liegt das vermutlich daran, dass die Fähigkeit, visuelle Informationen zu unterscheiden, stärker variiert als lange gedacht. Um dem Phänomen nachzugehen, maßen die Wissenschaftler in einem Experiment die maximale Frequenz, mit der eine Person eine flackernde Lichtquelle wahrnehmen kann.
Einige sehen ein Flimmern, andere ein durchgängiges Licht
Als Kennzahl gilt dabei die sogenannte Flimmerverschmelzungsfrequenz. Diese ist erreicht, wenn ein Licht so schnell flackert, dass das Gehirn die Lichtblitze nicht mehr einzeln wahrnehmen kann, sondern sie als durchgehendes Leuchten erfasst. Wie das Team aus Dublin zeigen konnte, ist diese Schwelle bei manchen Menschen schneller erreicht als bei anderen.
So gaben einige Teilnehmende des Experiments an, dass sie das Licht als völlig unbewegt wahrnahmen, obwohl es in Wirklichkeit etwa 35-mal pro Sekunde blinkte. Andere dagegen konnten das Blinken selbst noch bei einer Geschwindigkeit von über 60-mal pro Sekunde erfassen. Die Forschenden betonen, dass die Unterschiede nicht auf der Tagesform beruhten, sondern je nach Individuum vergleichsweise konstant waren.
Warum unser zeitliches Auflösungsvermögen so ungleich verteilt ist, bleibt vorerst ungeklärt. Die Fachleute gehen aber davon aus, dass die Abweichungen im Alltag durchaus zum Tragen kommen. Insbesondere in Situationen, in denen es gilt, sich schnell bewegende Objekte zu lokalisieren oder zu verfolgen – wie etwa bei Ballsportarten oder Computerspielen.
Rasches Wahrnehmen macht überlegen
"Unser Ergebnis deutet darauf hin, dass manche Menschen einen Vorteil gegenüber anderen haben, noch bevor sie einen Tennisschläger in die Hand nehmen und einen Tennisball schlagen. Oder zu einem Controller greifen und sich in eine Online-Fantasiewelt stürzen", erklärt der an der Forschung beteiligte Doktorand Clinton Haarlem.
Es sei naiv, davon auszugehen, dass alle anderen die Welt auf dieselbe Weise wahrnähmen wie man selbst, betont wiederum der Entwicklungsneurobiologe Kevin Mitchell. Beispiele wie Farbenblindheit zeigten, dass dies nicht immer zutreffe. Und es gebe eben auch viele weniger bekannte Arten, wie die Wahrnehmung variieren kann.
Wenn also das Gegenüber auf dem Tennisplatz beinahe jeden Ball erwischt oder beim Zocken im Internet stets die ersten Plätze belegt, könnte das womöglich weniger mit Talent als mit Glück zu tun haben: Einige von uns sehen die Welt einfach schneller.