Es gibt Menschen, die sehr beweglich, und andere, die eher steifer sind. Ursache ist eine natürliche Veranlagung zu mehr oder weniger festem Bindegewebe. Je nach Typ sind oft zu schwach entwickelte Faszien (das sogenannte weiche Bindegewebe) der Grund von Problemen oder aber durch Bewegungsmangel verfilzte Faszien, die an Elastizität und Gleitfähigkeit eingebüßt haben. Beides beeinträchtigt die Kraftübertragung und die Koordination, die Bewegungen werden hölzern und weniger effizient, auch können Schmerzen entstehen.
Die Stimulation der Faszien kann Abhilfe schaffen. Durch kleinste Veränderungen von Asanas (den typischen Körperhaltungen des Hatha-Yoga) lassen sich Faszien gezielt ansprechen. Das sogenannte Faszien-Yoga umfasst dabei die vier grundlegenden Dimensionen jedes Faszientrainings: federn, dehnen, beleben und spüren.
FASZIEN FEDERN
Beim Federn macht man sich die Fähigkeit des elastischen Rückfederns zunutze. Dazu wird die Faszie in Gegenrichtung vorgedehnt und die elastische Speicherkapazität für eine impulsartige Entladung der Energie benutzt
Beispielübung: Rippenöffner
Setzen Sie sich in den Fersensitz und lassen Sie das Gesäß auf der rechten Seite neben Ihre Fersen auf den Boden gleiten. Verlängern Sie die Wirbelsäule zwischen Kreuzbein und Scheitel und heben Sie den rechten Arm nach oben. Halten Sie beide Körperseiten lang und den rechten Sitzbeinknochen geerdet, während der rechte Arm bogenförmig über dem Kopf nach links zieht. Atmen Sie in den rechten Rippenbogen und beginnen Sie mit kleinen Federungsimpulsen nach links. Nach etwa 15 Federbewegungen wechseln Sie Ihren Sitz auf die linke Seite und wiederholen die Übung mit dem linken Arm.
Tipps
- Fallen Sie nicht ins Hohlkreuz.
- Lassen Sie kein Abknicken in der Flanke zu.
Wirkung
- Weitet die Flanken.
- Dehnt die Zwischenrippenmuskulatur.
FASZIEN DEHNEN
Das genüssliche Rekeln und Strecken ist die normalste Sache der Welt, jede Katze macht es so. Durch das Dehnen wird Wasser aus dem Bindegewebe gepresst. Nach dem Auflösen der Dehnung saugt es zum Teil sogar mehr Wasser auf als ausgepresst wurde.
Beispielübung: Vorderseite des Oberschenkels befreien
Kommen Sie in den Einbein-Kniestand und nehmen Sie eine Position wie auf dem Foto unten ein: Greifen Sie den linken Fuß mit der gleichseitigen Hand. Richten Sie das Becken auf und verlängern Sie die Wirbelsäule. Ziehen Sie den Fuß so weit Richtung Gesäß, bis Sie eine Dehnung spüren. Nehmen Sie sich einige Atemzüge Zeit, um in die Dehnung hineinzuschmelzen. Halten Sie dann die Position und drücken Sie das Knie in den Boden und gleichzeitig etwas nach vorn. Nehmen Sie die Veränderung der Dehnung wahr. Halten Sie einen Moment und wechseln Sie wieder in die schmelzende Dehnung. Wiederholen Sie das Ganze mehrmals. Wechseln Sie dann die Seite.
Tipp
- Bei Knieproblemen vorsichtig dehnen.
Wirkung
- Dehnt den Oberschenkel.
FASZIEN BELEBEN
Dies geschieht über eine Art Selbstmassage und dient dazu, eine flexible, elastische Faserstruktur zurückzugewin- nen und die Durchflutung mit Wasser zu verbessern. Dabei kommen unter anderem Faszienrollen zum Einsatz.
Beispielübung: Armschmeichler
Kommen Sie in den Vierfüßlerstand. Die Knie sind unter den Hüftgelenken, die Handgelenke unter den Schultern. Legen Sie eine Faszienrolle in Brusthöhe längs auf der Matte bereit. Verlängern Sie Ihre Wirbelsäule zwischen Kreuzbein und Scheitel, halten Sie die Wirbelsäule stabil. Lösen Sie Ihre linke Hand vom Boden und legen Sie Ihr Handgelenk mit der Außenseite auf die Rolle. Während Sie nun den rechten Ellbogen beugen und sich nach rechts drehen, rollen Sie im Zeitlupentempo mit Ihrem Unterarm auf der Faszienrolle unter Ihrer rechten Schulter hindurch nach rechts. Rollen Sie zurück und wiederholen Sie dies noch ein- bis zweimal. Wechseln Sie dann die Seite.
Tipps
- Über den Druck der Stützhand können Sie die Intensität der Übung variieren.
- Das Becken soll durchgehend stabil bleiben.
- Wenn Sie keine Faszienrolle haben, können Sie auch eine Wasserflasche verwenden.
Wirkung
- Löst Spannungen in den Armen.
- Verbessert die Drehfreudigkeit der Wirbelsäule.
- Wohltuende Entlastung für Menschen, die viel am Schreibtisch arbeiten.
FASZIEN SPÜREN
Für die Yoga-Praxis, aber auch im Alltag ist die Körperwahrnehmung von zentraler Bedeutung. Spüren ist der Zugriff auf die tiefe Weisheit unseres Körpers aufgrund der Verfeinerung der Körperwahrnehmung.
Beispielübung: Beckenwiege
Legen Sie sich in Rückenlage mit aufgestellten Beinen auf die Yoga-Matte. Platzieren Sie einen weichen Softball so unter Ihrem Kreuzbein, dass die Lendenwirbelsäule weder durchhängt noch in ein Hohlkreuz geschoben wird. Mit drei bis vier tiefen Atemzügen schicken Sie Ihre Aufmerksamkeit in die Tiefe Ihres Beckens. Beginnen Sie nun das Kreuzbein mit einer kleinen sanften Bewegung Richtung Mitte der Waden aufzurollen. Spüren Sie die Verlängerung der Lendenwirbelsäule und die Bewegung des Beckens.
Starten Sie dann die Gegenbewegung, bei der Sie wahrnehmen, wie sich die Lendenwirbelsäule sanft Richtung Mini-Hohlkreuz bewegt. Die Bewegungen sind sehr klein und aus der Tiefe des Beckens geführt. Wiederholen Sie diese zehn- bis 15-mal. In der gleichen Position und ebenfalls mit einem Softball unterm Kreuzbein drehen Sie nun den rechten Hüftknochen ganz wenig nach links und oben. Dann lösen und den linken Hüftknochen nach rechts und oben drehen. Spüren Sie, wie Ihr Becken sich ganz sanft und nicht mehr als einen Zentimeter um die Körperlängsachse dreht. Auch hier machen Sie zehn bis 15 Wiederholungen.
Tipps
- Führen Sie das Beckenwiegen in Mikrobewegungen aus.
- Achten Sie darauf, dass die Bauch- und Rückenmuskulatur sich nur reaktiv und möglichst wenig einschaltet.
- Konzentrieren Sie sich auf die Aktivität des Beckenbodens.
- Stemmen Sie die Füße nicht in den Boden, um die Bewegung zu initiieren.
Wirkung
- Verbessert die Wahrnehmung der Lenden-Becken-Hüft-Region.
- Erste Hilfe bei Schmerzen in diesem Bereich.
- Macht die dreidimensionale Beweglichkeit des Beckens erfahrbar.
- Mobilisiert die untere Lendenwirbelsäule, aktiviert den Beckenboden.
- Belebt die Bandscheiben.