Während für die ausgestellten Fundstücke im Naturkundemuseum der US-Stadt Denver teils lange Forschungsreisen in weit entfernte Gebiete und aufwendige Grabungen nötig waren, war der Weg zum neuesten Fund, den Besucherinnen und Besucher mittlerweile im Museum begutachten können, äußerst kurz: Er stammt aus einem Loch direkt unter dem Parkplatz des Naturkundemuseums.
Zufallsfund bei Bohrungen
Im Januar 2025 führte das Museum im Rahmen eines Projekts zur Umstellung auf nachhaltige Geothermie diverse Bohrungen durch. Ziel war es, die Eignung des Untergrunds für eine klimafreundliche Energieversorgung zu prüfen. Parallel dazu nutzten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Gelegenheit, um geologische Bohrkerne aus dem Denver-Becken zu gewinnen.

Die Bohrlöcher hatten einen Durchmesser von nur rund fünf Zentimetern. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer solchen Bohrung ausgerechnet auf einen Dinosaurierknochen zu stoßen, ist verschwindend gering. Doch dieser kleine Ausschnitt reichte aus: Die Forschenden stießen in 230 Meter Tiefe auf einen Wirbelknochen eines pflanzenfressenden Dinosauriers, der etwa 67,5 Millionen Jahre alt sein soll. Dem Museum zufolge handelt es sich damit um das älteste und am tiefsten gelegene Fossil, das je in Denver gefunden wurde.
Das Tier, dem der Knochen gehörte, lebte wahrscheinlich in einem sumpfigen, dicht bewachsenen Ökosystem kurz vor dem Massenaussterben, das das Zeitalter der Dinosaurier beendete. Neben dem Knochen entdeckten die Paläontolgen in dem Bohrloch auch versteinerte Pflanzen.
"Wie Lottogewinn und Blitzschlag am selben Tag"
"Das ist vielleicht der ungewöhnlichste Dinosaurierfund, an dem ich je beteiligt war. Es ist äußerst selten, bei einem Bohrprojekt überhaupt ein Fossil zu finden", sagt Dr. Patrick O’Connor, Direktor der Abteilung für Erd- und Weltraumwissenschaften, in einer Mitteilung des Museums. "Es ist, als würde man einen Lottogewinn und einen Blitzschlag am selben Tag erleben", ergänzt Dr. James Hagadorn, Kurator für Geologie am Naturkundemuseum von Denver.

Denver-Becken: Ein Blick in die Urzeit
Der aufsehenerregende Fund des 67 Millionen Jahre alten Dinosaurierknochens unter dem Parkplatz des Naturkundemuseums steht in direktem Zusammenhang mit dem Denver-Becken, einem riesigen Sedimentbecken, das sich unter der heutigen Metropolregion Denver erstreckt. Es entstand vor rund 66 bis 70 Millionen Jahren während der späten Kreidezeit, als Flüsse und Überschwemmungen Sedimente ablagerten und so ideale Bedingungen für die Konservierung von Fossilien schufen.
Die Schichten des Beckens enthalten nicht nur Überreste von Dinosauriern, sondern auch Spuren der dramatischen Veränderungen, die das Ende der Dinosaurier-Ära markierten. Besonders spannend: Im Denver-Becken findet sich die sogenannte K-T-Grenze (Kreide-Tertiär-Grenze), die das Massenaussterben der Dinosaurier dokumentiert und damit einen einzigartigen Einblick in die Erdgeschichte bietet.

Die Fossilienvielfalt reicht von Pflanzenfressern wie Edmontosaurus und Thescelosaurus bis hin zu Raubdinosauriern wie Tyrannosaurus rex. Die geologischen Schichten ermöglichen es, die Entwicklung von Ökosystemen vor und nach dem Aussterbeereignis zu rekonstruieren. Zudem wurden im Becken immer wieder spektakuläre Funde gemacht, die unser Bild von der Kreidezeit und dem Leben der Dinosaurier im heutigen Colorado entscheidend erweitert haben. Das Denver-Becken gilt daher als eine der wichtigsten Fundregionen Nordamerikas für die Erforschung der letzten Dinosaurier und ihrer Lebenswelt.
Der neueste Fund unter dem Museumsparkplatz vertieft deshalb das Verständnis über die Dinosaurier in dieser Region – ein Stück Erdgeschichte, das buchstäblich direkt vor der Haustür lag.
Der Versuchung, auf dem Parkplatz nach weiteren Fossilien zu bohren, wollen die Mitarbeitenden des Naturkundemuseums übrigens widerstehen. Erstens bräuchte es dringend die Parkplätze und zweitens würden größer angelegte Bohrungen zu Sicherheitsproblemen führen, so die Forschenden.