Fenster zur Urzeit Spektakulärer Fund: Was uns Tausende Dino-Spuren noch heute erzählen

Fussabdruecke von Dinosauriern in Bolivien von oben
Blick von oben auf eine längst vergangene Zeit: Im Torotoro-Nationalpark haben sich enorm viele Spuren von Dinosauriern erhalten, manche winzig und unscheinbar, manche tellergroß
© Juan Karita / Associated Press / picture alliance
In Bolivien haben Forschende die größte Ansammlung von Dino-Abdrücken dokumentiert. Sie erlauben einen fulminanten Einblick in die Vergangenheit – und das Verhalten der Reptilien

Es braucht etwas Vorstellungskraft, um auf dem felsigen Plateau im Nationalpark Torotoro im Herzen Boliviens, rund 400 Kilometer Luftlinie südöstlich von La Paz gelegen, etwas Besonderes zu sehen. In dem Gestein sind Fußabdrücke erhalten. Wer sie deuten kann, begibt sich auf eine Zeitreise: zurück in die Kreidezeit, als vor mehr als 60 Millionen Jahren hier flache, tropische Gewässer in sandige Ufer übergingen. Als Raubdinosaurier ihre schlanken Zehen in den matschigen Boden pressten und Vögel zwischen ihnen hin und her liefen. Heute liegt jene prähistorische Landschaft wie aufgeklappt vor den Betrachtenden: ein riesiges Mosaik aus Fährten, konserviert in Stein.

Was Forschende nun an der Fundstelle Carreras Pampa dokumentiert haben, übertrifft offenbar alle bisher bekannten Dimensionen. Dagegen macht sich beispielsweise das Areal der Fossilabdrücke im niedersächsischen Barkhausen bei Osnabrück geradezu winzig aus. Rund 16.600 Dinosaurierabdrücke sind im Torotoro verzeichnet, fast 1400 Spuren von schwimmenden Tieren, dazu Schleifspuren von Dinosaurierschwänzen und Vogeltritte – ein Archiv des Lebens auf einer einzigen Gesteinsfläche.

Eine Person steht neben riesigen Fußabdrücken von Dinosauriern
Dezember 2025: Ranger José Vallejos steht neben versteinerten Dinosaurier-Fußabdrücken im bolivianischen Torotoro Nationalpark
© Juan Karita / Associated Press / picture alliance

Eine paläontologische Fundstätte von Weltrang, schreibt das Team, das die Felsen von Carreras Pampa erkundet und die Erkenntnisse im Wissenschaftsjournal "Plos One" veröffentlicht hat. Demnach wurden nirgendwo auf der Welt mehr Spuren "theropoder" Dinosaurier – jener zweibeinigen Raubsaurier, zu denen auch Velociraptor und der gewaltige Tyrannosaurus gehörten – an einem Ort gefunden.

Die Spuren zeigen Verhalten in konservierter Echtzeit

Sechs Jahre lang untersuchte ein international-bolivianisches Team die Felsplatten der Carreras Pampa. Es kartierte Spur für Spur, Zentimeter für Zentimeter. Erst nach und nach zeigte sich das ganze Ausmaß auf etwa 7500 Quadratmeter Fläche. Die Fährten reichen von kaum fingerbreiten Miniaturabdrücken bis zu tiefen, tellergroßen Stapfen schwerer Tiere. Manche Spuren sind nur als leichte Kralleneinkerbungen zu erkennen, andere reichen weit in die Schichten, wo Dinosaurier offenbar bis zu den Oberschenkeln im weichen Untergrund einsanken – und ihre Schwänze über den Boden schleiften.

Viele Abdrücke liegen als Spurfolgen mit mehreren Schritten vor. Sie zeigen Verhalten in konservierter Echtzeit: Langsames Schreiten, Wechsel in den Lauf, Zickzackbewegungen, abrupte Richtungswechsel. Besonders auffällig: Ein großer Teil der Tiere bewegte sich mit vergleichsweise hoher Geschwindigkeit. Die Forschenden errechneten überdurchschnittlich große Schrittlängen, ungewöhnlich viele lagen offenbar über der Schwelle, die als Indiz für trabende oder rennende Bewegung gilt. Carreras Pampa, so scheint es, war in dieser Momentaufnahme kein ruhiger Ort – sondern eine Durchzugsroute, voller in Eile begriffener Dinosaurier. Viele Spuren verlaufen parallel – was sich als Hinweis auf Gruppenverhalten deuten lässt, auf Wanderbewegungen, vielleicht auf Jagd oder Flucht.

Nach Westen auf dem Plateau zieht sich eine Serie feiner, paralleler Linien: die Schwimmspuren. Raubdinosaurier, deren Körper im Wasser schwebten, paddelten und rissen dabei mit ihren Fußspitzen hin und wieder über den Untergrund und zogen so Krallenfurchen. Manchmal gehen solche Schwimmspuren auch in jene über, welche die Tiere beim Laufen hinterlassen. Was darauf schließen lässt, wo früher das Ufer eines Gewässers verlief.

Die Hinterlassenschaften galten früher angeblich als Zeichen von Monstern

An anderer Stelle sind Vogelspuren erkennbar – kleine, dreizehige Tritte, nicht unähnlich jenen, die Möwen heute am Strand hinterlassen. Sie mischen sich mit den Spuren ihrer gigantischen Verwandten. Vielleicht pickten sie zwischen den Riesen nach Krebschen; vielleicht suchten sie Würmer im Sediment. Wo Schwimm- und Laufspuren und Vogelfußabdrücke einander überschneiden, entsteht vor dem inneren Auge ein plastisches Bild: von einem Ökosystem am Ende der Kreidezeit, bevor womöglich ein Asteroid die Zeit der Dinosaurier beendete.

Die Spuren wurden schon vor Jahrzehnten entdeckt – und doch hat man erst jetzt begriffen, welche Geschichte sie erzählen. Als Einheimische in den 1960er-Jahren die merkwürdigen Hinterlassenschaften im Stein bemerkten, hielten manche sie angeblich für Monsterzeichen. Heute gilt Carreras Pampa als größte bekannte Ansammlung fossiler Dinosaurierspuren weltweit, als ein Archiv, das sich gerade erst öffnet. Und: Unter Vegetation und verwitterten Rändern schlummern vielleicht noch Tausende weitere Spuren.