Kontinuität Die Magie der Rituale: Warum wir Traditionen brauchen

Von klein auf wachsen wir mit wiederkehrenden Ereignissen – etwa Ostertraditionen – auf, die wie Wegmarken den Pfad unseres Lebens vorzeichnen
Von klein auf wachsen wir mit wiederkehrenden Ereignissen – etwa Ostertraditionen – auf, die wie Wegmarken den Pfad unseres Lebens vorzeichnen
© mauritius images / Anna Ostanina / Alamy / Alamy Stock Photos
Sie verlaufen stets gleich, versprechen Kontinuität und stiften Zuversicht. Seit Menschengedenken formen Rituale unser Zusammenleben, unsere Kultur. Forschende versuchen, ihr Wirken mit großem Aufwand zu entschlüsseln

"Drei Wünsche für die Menschheit?" Harvey Whitehouse lehnt sich zurück in seinem abgeschabten Ledersessel, blickt auf die Bäume im Garten hinter dem Institut. "Ein Ende aller Bürgerkriege. Ein achtsamer Umgang mit ­unserem Planeten. Die Beseitigung aller Unterdrückung von Elend und extremer Ungleichheit." Und mit jungenhaftem Lächeln fügt er hinzu: "Wir arbeiten daran."

Whitehouse ist ein Träumer, gewiss, vor allem aber: Er ist Forscher, Anthropologe. "Warum wohl stellen wir Menschen Gemeinwohl so oft vor Eigennutz?", fragt er. "Warum fühlen wir uns anderen verbunden, vertrauen immer wieder Fremden, opfern uns gar für sie auf?" Die Antwort gibt er gleich selbst: "Weil es einen sozialen Kitt gibt, der uns zusammenhält. Und den wollen wir nutzen. Zum Wohle aller."

Es ist ein vielschichtiger Stoff, dem Whitehouse nachspürt. Einen wesentlichen Bestandteil des Wundermittels aber hat er bereits isoliert in seinem Laboratorium des Geistes: die Rituale.

Erschienen in GEO Wissen Nr. 70 (2020)