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Selbsterfahrung Kraft der Spiritualität: Wie meine Einkehr ins Kloster zum heilsamen Ritual wurde

Seit der Schulzeit zieht sich unsere Autorin immer mal wieder ins Franziskanerkloster Marienthal im Rheingau zurück – jeder gehört hier dazu, egal, an welchen Gott er glaubt
Wenn die Arbeit es zulässt, nehmen die Brüder sich gern Zeit für einen gemeinsamen Spaziergang oder ein persönliches Gespräch mit den Besuchern
Wenn die Arbeit es zulässt, nehmen die Brüder sich gern Zeit für einen gemeinsamen Spaziergang oder ein persönliches Gespräch mit den Besuchern
© Ramon Haindl für GEO

Obwohl ich evangelisch bin, spreche ich gerade das katholischste aller Gebete: den Rosenkranz. Vaterunser, Glaubensbekenntnis, zehnmal das Ave Maria, stets im Wechsel. Die Nachmittagssonne sickert durch die bleiverglasten Fenster der kleinen Hauskapelle und malt Muster auf den Teppich. Über dem Holzaltar hängt der griechische Buchstabe Tau, daran der gekreuzigte Jesus.

Um mich herum sitzen drei Brüder in braunen Kutten. Brüder im Geiste natürlich, Ordensbrüder, Franziskaner. Den Kopf gesenkt, murmeln sie die alten Verse. Das Ave Maria schenkt mir Ruhe wie ein Mantra, dessen Worte der Meditierende nicht begreifen muss. Im Rhythmus der Verse versinken meine Gedanken, verlieren sich in den gleichmäßigen Sätzen.

Erschienen in GEO Wissen Nr. 70 (2020)