Durch Südafrika, Mosambik, Sambia, Namibia und Simbabwe führte Molin und Hauke Dresslers Roadtrip – von den trubeligen Townships in Johannesburg in die stille, dunkle Einsamkeit der namibischen Wüste. Die gewaltige Landschaft bewegt beide, aber "Afrika ist in unserer Geschichte das Bühnenbild", sagt Hauke Dressler. Das Stück ist eins über Vater und Tochter, die einander neu kennenlernen.

GEO: 10.000 Kilometer mit Camper und Zelt – nicht mit Freunden, sondern mit Papa. Vermutlich kommen wenige Teenager auf diese Idee. Wieso hat es bei euch geklappt?
Molin: Meine Klassenkameraden haben sich auch gewundert! Und hätte Papa mir damals Asien als Reiseziel vorgeschlagen, hätte ich vermutlich abgelehnt: 'Ne, danke, da fahre ich mit Freunden hin.' Aber Afrika schien mir gefährlicher und abenteuerlicher. Ich brauchte ihn an meiner Seite, um mutig zu sein. Und er brauchte mich, weil er mir seine Welt zeigen wollte.
Hauke: Als Reisefotograf hatte ich viele Regionen Afrikas besucht – aber nicht durch Molins Augen gesehen. Mit anderen Menschen zu reisen, eröffnet mir einen frischen Blick auf das, was ich zu kennen glaube. Drei Stunden Wartezeit am Grenzübergang zu Mosambik schienen mir kurz, ihr lang. Wütenden Grenzbeamten mein Bier nicht auszuhändigen, schien ihr riskant, mir angemessen rebellisch. Auf Pferden über den Strand zu galoppieren, hatte ich nicht geplant, Molin dafür umso mehr. Ich wollte eine Reise machen, die uns beiden spielerisch neue Perspektiven eröffnet.
"Derjenige, der fortgeht, ist nicht der Gleiche, der wiederkommt", schreibt ihr in eurem Buch. Stimmt das?
Molin: Und wie. Als wir losgefahren sind, war ich 18 Jahre alt. Gerade fertig mit dem Abitur, ein bisschen lustlos und meistens im Bett, mit dem Handy in der Hand. Und mein Papa war eben mein Papa. Erst als wir unterwegs waren, ich ihn beobachtet habe, wie er fröhlich auf Fremde zuging, um sie zu fotografieren, wie er sie begeistern konnte, habe ich bemerkt: Er ist ein eigenständiger Mensch. Und das habe ich mir abgeschaut, bin mutiger und neugieriger geworden. Da draußen ist jeden Tag etwas, das es sich zu entdecken lohnt!
Hauke: Wir sind Gefährten geworden, auf Augenhöhe. Davor war ich der Vater, der seiner Tochter die Welt zeigen wollte. Während der Reise wurden wir ein Team.
Die Begegnungen mit anderen Menschen waren zentral für eure Reise. Wieso?
Molin: Früher war ich ziemlich genervt davon, dass mein Vater auf der Straße immerzu Leute angesprochen hat, um ihre Lebensgeschichten zu hören. Aber genau das öffnet Türen. Fremde haben uns in ihre Häuser eingeladen, ihren Familien vorgestellt, uns ihr Neugeborenes in die Hand gedrückt. Wenn man jemanden ganz unvoreingenommen bittet, 'Zeig mir, wer du bist, was du gerne machst', erlebt man eine Kultur erst richtig.
Hauke: In Johannesburg hatten wir außerdem einen professionellen Guide. Er hat uns 'seine' Ecken gezeigt – all die, die man als Tourist unbedingt meiden sollte, weil sie gefährliche Begegnungen mit sich bringen können. Mal wurden wir auf offener Straße bedroht, mal sind wir knapp einer Schießerei entkommen. Und die Verkehrspolizei hatte uns schwer auf dem Kieker. Aber auch das gehört dazu, wenn man andere Länder verstehen möchte. Insgesamt habe ich keinen Kontinent so warmherzig und freundlich erlebt wie Afrika.
Welche Momente sind besonders intensiv in Erinnerung geblieben?
Hauke: Zuerst dachte ich: der Moment, als wir nachts unter einer kargen 15-Watt-Glühbirne in einer Schule in Simbabwe standen, umgeben von singenden Kindern, die man in der Dunkelheit kaum sah. Der Raum war gefüllt von ihren klaren Stimmen und wir mussten beide weinen. Eigentlich aber war es noch viel intensiver, meine Tochter, ganz weit weg vom Alltag, kennenzulernen.
Molin: Während einer Autofahrt haben wir stundenlang reflektiert: Was erleben wir hier gerade eigentlich? Natürlich waren die lesbische Hochzeit in Johannesburg, das Löwenbeobachten in Simbabwe oder das Schnorcheln mit Walhaien einmalig und unersetzbar – aber nicht so sehr wie dieses tiefe, emotionale Gespräch zwischen meinem Papa und mir.
Was ist die Essenz dieser sehr persönlichen Reise? Wie kann man sie nachmachen – vor allem, falls Afrika zu groß, zu weit weg ist?
Hauke: Indem beide Reisende auf einer Ebene sind. Als Vater Erfahrung mitzubringen, ist hilfreich, aber wenn ich mich zu gut auskenne, werde ich zum Guide. Dann gebe ich meine Autorität nicht ab. So eine Reise muss beide, wenn auch nur leicht, aus ihrer Komfortzone und über die eigenen Grenzen locken. Beide wagen etwas, beide müssen sich aufeinander verlassen.
Molin: Dabei ist das Reiseziel völlig egal. Wir hätten in Südafrika in einem Luxusresort übernachten können und ganz andere sechs Wochen verbracht. Auf die Art des Reisens kommt es an: Einen Camper und ein Zelt zu teilen, schweißt zusammen, genauso wie gemeinsam Entscheidungen zu treffen, sich zu verfahren, zu kommunizieren. Und klar: Wichtig ist, dass man ein Reiseziel findet, das beide interessiert, völlig egal, ob es Österreich oder Simbabwe ist.