"Kerder olem mada olem" – ein Leben mit Rentieren, ist das beste Leben. Dieser Satz stammt aus dem Volk der Komi, eine Bevölkerungsgruppe, die im fernen Norden der russischen Tundra lebt – mit ihren Rentieren. Hier herrschen bis zu -57 Grad Celsius Außentemperatur, es gibt keine Straßen, keine Zivilisation, einzig die einsame Bahnstrecke die Moskau mit der Provinzstadt Vorkuta verbindet, durchzieht die karge Wüste der Bolshezemelskaya Tundra und bringt Boten der Moderne in Form von Schneemobilen und Fernsehern. Und das soll nun das beste Leben sein? Ja, behaupten die Komi zumindest solche von ihnen, die sich noch nicht der stationären Arbeit der Kohlewerke und Fabriken in Vorkuta hingegeben haben, solche die mehrere Monate im Jahr zu Nomaden werden um mit ihren Herden gen Norden zu ziehen. Sie leben in einfachen Zelten, Chum, genannt und bewachen Herden von bis zu 3000 Tieren, die sich im Umkreis von 20-40 Kilometer um das Lager herum bewegen. In Schichten von bis zu 36 Stunden sind einzelne Hirten dann dafür zuständig die Tiere beisammen zu halten und sie weiter gen Norden zu treiben. Zum Ausruhen muss die Schneedecke reichen, denn die Zelte bleiben im Camp, das am folgenden Tag hinterher ziehen wird.
Bereits die Kinder haben mit vier Jahren einen eigenen Schlitten, lernen sich der Wildnis anzupassen und kennen jedes einzelne Tier der Herde mit seinen Eigenschaften auswendig. Wer nicht in eine Hirten-Familie hineingeboren wurde, tut sich die Arbeit nicht freiwillig an. Viele der jungen Komi übernehmen stattdessen lieber die Fleischverarbeitung in den Fabriken entlang der Bahnstrecke oder in Vorkuta. Die nomadischen Komi haben nicht nur ein Nachwuchsproblem, sondern auch eins der Landnutzung. Zwar ist Bolshezemelskaya Tundra groß, aber nicht nur die Hirten sind hier unterwegs, sondern auch Konzerne wie Gasprom, die hier Leitungen verlegen und Bohrungen durchführen, mitten durch die traditionellen Routen der Komi. Diese Routen sind über Jahrhunderte hinweg von den Hirtenfamilien ausgearbeitet worden, sie bieten unterwegs Schutz- und Ruhemöglichkeiten, inzwischen sogar immer wieder Anbindung an das Schienennetz. Nun sind die Komi gezwungen ihre traditionellen Routen zu verlassen, immer mehr hinein in die Wildnis, in der sie mit ebenfalls vertriebenen Nomaden und deren Herden um die verbliebene Landfläche konkurrieren.
Der russische Fotograf und Journalist Alexander Fedorov lebte und wanderte drei Monate mit einem Komi-Nomadenstamm. Seine Bilder geben einen einzigartigen Einblick in das harte Leben der Rentier-Hirten in der Bolshezemelskaya Tundra.
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