Die Fotografin Mélanie Wenger kennt sich aus mit der Jagd auf afrikanische Tiere. Die junge Französin, die zwischen Paris, Brüssel und Kapstadt pendelt, hat Trophäenjäger in Simbabwe begleitet beim Abschuss einer alten Elefantenkuh, sie war mit Wilderern und mit Rangern in den Regenwäldern Kameruns unterwegs.
Doch als sie 2018 an einem brütend heißen Tag auf der staubigen Einfahrt einer Ranch in der Einöde stand, weil sie etwas über Antilopenjagd erfahren wollte, war Wenger mehr als 14000 Kilometer entfernt von den Steppen und Dschungeln Afrikas. Sie war, zum ersten Mal in ihrem Leben, in Texas.
Ein kleiner, dicker Mann mit Cowboyhut hievte ihren Koffer vom Trailer. Der Mann hieß Erik Grimland. Er hatte Wenger auf seine Rockin G Ranch eingeladen und begrüßte sie mit den Worten: „Ich weiß, dass viele hassen, was ich tue, aber das ist mir egal.“
Was tut Grimland? Er züchtet Tiere für die Jagd auf acht Quadratkilometern amerikanischen Herzlandes, hinter Zäunen. Nicht nur Weißwedelhirsche oder wilde Truthähne. Sondern auch Zebras und Säbelantilopen. Wenn Kunden es wünschen, beschafft er von anderen Ranches asiatische Schraubenziegen zum Abschießen.
Jäger in Afrika hatten Wenger davon erzählt, deshalb stand sie hier, in Grimlands Einfahrt: Das Geschäft mit den Exoten ist in keinem anderen Bundesstaat so verbreitet wie in Texas. Deshalb haben diese Tiere sogar einen eigenen Namen: Texotics.
Das Geschäft wächst ebenso wie die Population
Seit in den 1920er Jahren der erste Rancher mit Antilopen aus dem Zoo von San Diego experimentierte, ist ihre Zahl stetig gestiegen: von 13000 Tieren im Jahr 1963 auf mehr als eine Million heute, die zu 135 Arten gehören. Das Geschäft wächst ebenso wie die Population: Das Klima an der Grenze zu Mexiko bietet vielen der Spezies fast heimische Bedingungen, und für die Ranches waren die Exoten oft die Rettung.
Allein mit Rindern lässt sich ein Familienbetrieb im ehemaligen Wilden Westen schon länger nicht mehr finanzieren, und gegenüber einheimischen Arten wie dem Weißwedelhirsch haben Zebras und Bongo-Antilopen einen entscheidenden Vorteil: Für sie gilt keine Schonzeit. Man kann sie ganzjährig jagen, und zwar unbegrenzt viele von ihnen. Die Behörden in Texas stufen exotische Huftiere schlicht als Vieh ein: Ein in Indien gefährdeter Sumpfhirsch (Barasingha) genießt in den USA so wenig Schutz wie ein Pferd oder eine Kuh.
Eine Studie schätzt, dass das Geschäft mit den Exoten annähernd 15000 Arbeitsplätze im Staat sichert. Mehrere Tausend texanische Ranches haben auf ihrem Land mindestens eine exotische Spezies, sagt ihr Interessenverband, die Exotic Wildlife Association.
Die mit Abstand größte, die King Ranch im Süden von Texas, umfasst mehr als 3300 Quadratkilometer. Auf Mélanie Wengers zahlreiche Anfragen aber antwortete zunächst nur einer: Erik Grimland, der Besitzer eines weit bescheideneren Betriebs. Zwei Jahre lang fuhr die Fotografin immer wieder für ein paar Wochen zu seiner Rockin G Ranch im Norden des Bundesstaates.
Sie schlief in einem der Hochbetten im Gästehaus, begleitete Grimland und seine Kunden auf die Jagd und aß abends am großen Eichentisch mit ihnen Barbecue. Viele kommen übers Wochenende und bleiben für zwei, drei Tage. Zwischen 2500 und 20000 Dollar kosten die Jagden, je nach Tier, das man von einer Liste wählen kann. Und je nach Waffe: vom Vorderlader bis zum Sturmgewehr ist fast alles erlaubt.
Um in Texas auf Exoten schießen zu dürfen, reicht eine kleine Jagdlizenz
Das ist ein Schnäppchen, verglichen mit der Jagd auf wilde Dickhornschafe in den Rocky Mountains: Eine begrenzte Anzahl Genehmigungen werden in jedem Jahr versteigert, für einzelne Lizenzen zahlen Interessenten dabei regelmäßig mehrere Hunderttausend Dollar. Die Jagd selbst ist beschwerlich und der Erfolg keineswegs sicher.
Grimland dagegen verspricht seinen Kunden einen garantierten Abschuss. Geschätzte 12 Millionen Großwildjäger frönen in den USA diesem Hobby, und eine Milliardenindustrie bedient ihre Bedürfnisse. Lockt Bären an Futterstationen, damit der Kunde sie aus einem Tarnzelt heraus mit Pfeil und Bogen erschießen kann, zum Beispiel.
Zebras hinter Zäunen sind da nur die naheliegende Ergänzung für jeden, der sich einen Jagdausflug nach Afrika nicht leisten kann. Um in Texas auf Exoten schießen zu dürfen, reicht eine sogenannte kleine Jagdlizenz, die unter anderem der Walmart in der Nähe der Ranch verkauft, für 79 Dollar.
Manche Ranches in Texas bieten Safaritouren an, züchten Antilopen für Restaurants oder verkaufen Giraffenbullen. Erik Grimland verdient zusätzlich Geld damit, dass er die Trophäen seiner Kunden präpariert, gegen Aufpreis, in seiner Firma in Amarillo.
Für seine eigene Jagd auf Zebras aber ist er mit seiner Familie dorthin gefahren, wo Wenger zum ersten Mal von Texotics gehört hatte: nach Afrika.
Mélanie Wenger hatte während des Projekts nur einmal Angst vor all den Bewaffneten: als Grimland und seine Kunden sich eines Abends betranken und wahllos Hunderte Hasen abknallten. Jonas Breng ist Reporter mit Schwerpunkt Afrika.