+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++
Was ist das tierische Pendant zu einer humanitären Katastrophe? Es gibt keinen Namen dafür, aber es spielt sich seit Wochen und Monaten auf dem Mittelmeer ab. Während der Tiertransporter „Karim Allah“ mit fast 900 jungen Bullen wieder in Cartagena angelegt hat, von wo er vor zweieinhalb Monaten aufgebrochen war, dümpelt die „Elbeik“ immer noch auf hoher See, seit Mitte Dezember, mit fast 2500 Rindern als Fracht. Im Zielland Türkei wollte man die Tiere nicht mehr haben, offenbar aus Angst vor einer Tierseuche. Auch Libyen winkte ab.
Das monatelange Hin- und Her der Behörden und das Verbot des Re-Imports von lebenden Tieren in die EU bedeutet für die, über deren Lebensbedingungen und Gesundheitszustand wir so gut wie nichts erfahren, ein Martyrium. Schon nach Tagen auf hoher See, so sagen Tierschützer, fehle es bei solchen Transporten an Wasser, Futter und guter Luft. Ausreichend Platz und medizinische Versorgung sind ohnehin nicht vorgesehen.
Während die noch lebenden Jungbullen der „Karim Allah“ inzwischen im spanischen Hafen getötet wurden, dauert das Martyrium der Rinder an Bord der „Elbeik“ noch an.
Ein fast tierschutzfreier Raum
Fälle wie diese beleuchten schlaglichtartig ein System, das Tiere zur (Export-)Ware degradiert. Die Nachfrage nach lebenden Tieren ist in vielen Ländern außerhalb der EU groß, und das Kalkül der Händler scheint einzig darauf gerichtet, dass möglichst viel der Ware das Festland gerade noch lebend erreicht. Während schon in der EU die Haltungsbedingungen für die meisten sogenannten Nutztiere mit irgendeiner Art von Tierwohl unvereinbar sind, betreten Rinder und Schafe auf den Schrottfrachtern einen fast tierschutzfreien Raum. Von den Bedingungen der Haltung, Schlachtung oder Schächtung im Zielland ganz zu schweigen.
Nach Angaben von Tierschutzorganisationen durchleiden mehr als drei Millionen Tiere aus der Europäischen Union jährlich diese Tortur. Und 20.000 davon stammen aus deutschen Ställen.
Ob und wie viele Tiere aus Deutschland an Bord der Viehtransporter waren oder noch sind, ist nicht bekannt. Gut bekannt ist allerdings die Problematik der Langstreckentransporte in Drittländer – ob nun per Schiff oder per LKW.
Bundesregierung blockiert ein Verbot von Langstreckentransporten
Vor zwei Jahren war es eine mutige Veterinärin aus Bayern, die – wieder schlaglichtartig – das Elend der Transporte für die Öffentlichkeit sichtbar machte: Sie verweigerte die Genehmigung für einen 5000-Kilometer-Transport einer schwangeren Kuh nach Usbekistan. Zuvor hatte ein juristisches Gutachten aufgezeigt, dass Amtstierärzte sich der Beihilfe zur Tierquälerei schuldig machen, wenn sie Transporte genehmigen, obwohl sie um die katastrophalen Tierschutz-Bedingungen während des Transports und bei der Schlachtung im Zielland wissen.
Nach dem Bekanntwerden dieses Falls zogen weitere Veterinäre nach. Inzwischen haben mehrere Bundesländer Langstreckentransporte in Drittstaaten ausgesetzt.
Planungen, die tierschutz-widrige Praxis auf EU-Ebene oder auch nur bundesweit zu verbieten, gibt es gleichwohl nicht. Erst kürzlich ließ das Bundes-Landwirtschaftsministerium von Julia Klöckner wissen: Für ein generelles Verbot fehle es an Beweisen.