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Ornithologie Vorwurf "Rassismus": Immer mehr Vögel werden umbenannt

Heißt jetzt Pünktchenente: die Hottentottenente
Heißt jetzt Pünktchenente: die Hottentottenente
© Neal Cooper/Shutterstock
In aller Welt diskutieren Vogelkundlerinnen und Vogelkundler über den richtigen Umgang mit Vogelnamen, die rassistisches Gedankengut enthalten. Erst seit einigen Jahren geht es mit der Umbenennung voran

Hand auf's Herz: Kennen Sie die Hottentottenente? Richtig populär ist der schmucke Wasservogel außerhalb von Ornithologenkreisen nicht. Trotzdem gab es schon vor Jahren eine Debatte um die Ente. Der Grund: Die afrikanische Spezies aus der Gattung der Löffelenten gehört zu jenen Arten, deren landessprachliche Namen heute Anstoß erregen. Der Vorwurf: Rassismus.

"Hottentotten" – das waren in der Sprache der niederländischen Kolonisatoren afrikanische Völker in Südafrika und Namibia. Ein Ausdruck für Menschen zweiter Klasse.

In der deutschsprachigen Ausgabe von Wikipedia findet man die Hottentottenente zwar noch. Aber in der offiziellen Liste der deutschen Vogelnamen firmiert Spatula hottentota seit etwa drei Jahren als "Pünktchenente". Ein Name, der nicht nur auf historischen und rassistischen Ballast verzichtet – sondern auch das Aussehen des Tieres korrekt beschreibt: Brust und Bauch der Ente sind mit unterschiedlich großen Pünktchen übersät.

Die Ente ist kein Einzelfall: Auf das 19. Jahrhundert gingen zahlreiche Vogelnamen mit der Vorsilbe "Mohr-" zurück, erklärt Peter Barthel. Der Vogelkundler ist Leiter der Kommission für die deutschen Vogelnamen bei der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft. "Mohr", das ist ein veralteter, herablassender Sammelbegriff für Menschen mit dunkler Hautfarbe. Aus der Mohrenlerche wurde eine Schwarzsteppenlerche, das Mohrenschwarzkehlchen hört heute auf den offiziellen Namen Elsterschmätzer.

"Umbenennungen sind an der Tagesordnung", sagt Barthel. Insgesamt seien schon weit über 1000 deutsche Vogelnamen geändert worden, weil sie diskriminierend, kolonial oder rassistisch waren. Leichtfertig will man dabei aber auch nicht zu Werke gehen. Ein Grundsatz der Kommission sei, "so wenig wie möglich an den eingebürgerten Namen europäischer Brutvögel zu drehen".

Immer mehr Länder überprüfen Vogelnamen auf Spuren von Rassismus und Abwertung

Längst ist auch in anderen Ländern Europas und in den USA die Debatte über abwertende Vogelnamen entbrannt.

In Schweden nahmen Ornithologen 2015 insgesamt mehr als 10.000 Vogelnamen unter die Lupe – und beschlossen, zehn Spezies umzubenennen. So wurde zum Beispiel aus dem Zigeunervogel der Hoatzin, aus dem Weißbrust-Negerfink der Weißbrust-Nigrita, aus dem Kaffernsegler wurde der Weißbürzelsegler. Auch in Dänemark und Norwegen gab es Umbenennungen.

In den USA entschied sich das North American Classification Committee (NACC) nach einem langen Streit und mehreren gescheiterten Petitionen, die Ente Clangula hyemalis (zu deutsch: Eisente) umzutaufen: aus Oldsquaw wurde im Jahr 2000 Long-tailed Duck. Die Kommission erkannte damit an, dass "Squaw" ein abwertender Ausdruck für eine weibliche Indigene ist. Zudem war in anderen englischsprachigen Ländern schon lange die zutreffendere Bezeichnung in Gebrauch, wie in einer aktuellen Studie über unangemessene englische Vogelnamen nachzulesen ist.

In den vergangenen Jahren geriet auch die Weißkehl-Spornammer in die Kritik. Der englische Name des Vogels lautet, nach dem ersten weißen Entdecker, McCown's Longspur.  Der Namenspatron, John P. McCown, war nun allerdings ein Offizier, der auf der Seite der Konföderierten für die Aufrechterhaltung der Sklaverei kämpfte und auch sonst aus seiner rassistischen Gesinnung keinen Hehl machte. Die American Ornithological Society erklärte jüngst, den Vogel ab sofort nur noch Thick-billed Longspur zu nennen. Was sich – ideologisch unverdächtig und völlig zutreffend – auf den dicken Schnabel der Ammer bezieht.

Odins- und Thorshühnchen: Spuren deutscher Geschichte

Auch wenn die "Mohren" und "Hottentotten" aus der Liste der deutschen Vogelnamen mittlerweile getilgt wurden: Ganz fertig sind die Deutschen mit den Spuren ihrer Geschichte noch nicht. So finden sich immer noch das Odins- und das Thorshühnchen in der offiziellen Namensliste.

Die beiden Vogelarten hießen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Schmalschnäbliger und Plattschnäbliger Wassertreter. Im Jahr 1937 erhielten sie von dem Vogelkundler Günther Niethammer ihre neuen Namen – als Reverenz an die von den Nazis verehrte germanischen Götterwelt.

SS-Mitgliedschaft und zwei Jahre Stationierung im Vernichtungslager Auschwitz schadeten der Karriere des Nazi-Ornithologen in der Bundesrepublik übrigens nicht: Von 1968 bis 1973 war Niethammer sogar Präsident der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft. Schließlich hatte er sich mit seinen Untersuchungen über die "Vogelwelt von Auschwitz" verdient gemacht.

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