Früher wurden Frösche in der Hoffnung auf eine märchenhafte Verwandlung geküsst. Heute lassen sich Menschen vom Sekret der Sonora-Netzkröte in neue geistige Sphären katapultieren. Eine Praxis, vor der sogar die US-Nationalparkverwaltung warnt.
Die glimmenden Augen der Sonora-Netzkröte, die jüngst des Nachts in eine Fotofalle der US-Nationalparkverwaltung in Arizona hüpfte, scheinen zu signalisieren: Bleibt mir bloß vom Leib. Mit bis zu 19 Zentimetern Körperlänge und einem Höchstgewicht von 900 Gramm zählen die olivgrünen Tiere zu den kapitalsten Kröten Nordamerikas. Geraten sie in Bedrängnis, sondern sie aus ihren Ohrdrüsen ein giftiges Sekret ab. Doch die evolutionär bewährte Verteidigungsstrategie könnte den Amphibien nun zum Verhängnis werden.
Halbstündige, intensive Trips
Das Sekret von Incilius alvarius enthält einen psychoaktiven Wirkstoff namens 5-MeO-DMT. Geraucht, injiziert oder über die Schleimhäute aufgenommen, wirkt er innerhalb von Sekunden und löst etwa halbstündige intensive Trips aus. "Die subjektive Erfahrung wird in der Regel als transzendent beschrieben und beinhaltet häufig die Auflösung des Ich und eine vergrößerte Spannweite und Intensität der Gefühle, von Liebe, Einheit und Erfurcht bis hin zu Panik und Entsetzen", schreibt ein britisches Forschungsteam im "Journal of Psychopharmacology". Visuelle Halluzinationen bleiben meist aus, stattdessen erwartet Konsumierende oft ein Gefühl der Körperlosigkeit, der Leere, des Nichts.
In Mexiko ist der Wirkstoff legal, in den USA verboten. In beiden Ländern kommt er in modernen schamanistischen Ritualen zum Einsatz, in denen Menschen nach Erweiterung ihres Horizonts und spirituellen Erfahrungen streben. Oder nach seelischer Heilung. Es existieren einzelne Berichte von Kriegsveteran*innen, die nach dem Trip eine Verbesserung ihrer Depressionen, Angststörungen oder Alkoholabhängigkeit erlebten.
Gemeinschaftliche Rituale
Nicht alle geben sich dabei mit der synthetisch hergestellten Version der "Bufo" genannten Droge zufrieden. In einem Artikel der "New York Times" brüstet sich etwa eine texanische Gemeinschaft namens "Universal Shamans of the New Tomorrow" damit, nur echtes Krötensekret zu verwenden, das getrocknet und in gemeinschaftlichen Ritualen geraucht wird – eine moderne Praxis, die keiner bekannten Tradition bei indigenen Völkern entspringt. Die Sonora-Netzkröten werden bei der Extraktion des Gifts nicht verletzt, wohl aber gestresst.
Manche Menschen scheinen eine noch direktere Methode des Konsums zu wählen. Die US-Nationalparkverwaltung, die das Fotofallen-Bild der Kröte auf Facebook teilte, schrieb dazu: "Wie wir bei den meisten Dingen empfehlen, denen man in einem Nationalpark begegnet, sei es eine Bananenschnecke, ein unbekannter Pilz oder eine große Kröte mit glühenden Augen mitten in der Nacht: Bitte nicht daran lecken."
Das Gift kann Angst, Paranoia, Erbrechen, Schwindel hervorrufen
Die Warnung dient in erster Linie dem Schutz der Menschen. 5-MeO-DMT kann unter anderem Angst, Paranoia, Zittern, Erbrechen, Schwindel, Kopfschmerzen und einen Verlust des Körpergefühls auslösen, in seltenen Fällen auch eine Psychose. Direkt vom Krötenrücken geleckt, ist es unmöglich zu dosieren. Hunde erleiden im schlimmsten Fall eine tödliche Vergiftung.
Aber auch die Sonora-Netzkröten gilt es zu schützen. Die Art lebt nur in einem schmalen Streifen entlang der amerikanischen Pazifikküste, in Wüstengebieten Kaliforniens, New Mexicos, Arizonas und Mexikos. In den zwei erstgenannten US-Bundesstaaten ist ihr Bestand bereits gefährdet. Etliche Naturschützende fürchten, die steigende Nachfrage nach "Bufo" könnte ihnen den Garaus machen. Die Tucson Herpetological Society hat sogar ein Recherche-Stipendium ins Leben gerufen, um die Auswirkungen der psychedelischen Renaissance auf die Amphibien zu ergründen. Zur Finanzierung verkaufte sie Baseball-Kappen mit dem Antlitz der Kröte und T-Shirts, die mahnen: "Please trip responsibly" – High werden, aber verantwortungsvoll .