Bei Etsy und Ebay Sterben für Dekoartikel: Fledermäuse werden online als Wandschmuck verkauft

Eigentlich lebt Kerivoula picta versteckt in den Bananenstauden Asiens. Doch vor allem in den USA ist die Fledermaus auch als Wandschmuck beliebt
Eigentlich lebt Kerivoula picta versteckt in den Bananenstauden Asiens. Doch vor allem in den USA ist die Fledermaus auch als Wandschmuck beliebt
© pomchathong007 / Adobe Stock
Sie werden getötet, um hinter Bilderrahmen gepresst oder an Halsketten gehängt zu werden: Auf Onlineplattformen sind präparierte Wollfledermäuse als Dekoartikel frei verfügbar. Forschende warnen: Die Säugetiere werden vermutlich gezielt gejagt – und niemand weiß, wie viele von ihnen es noch gibt

Die Wollfledermaus Kerivoula picta ist ein scheues Wesen: In den Trockenwäldern Asiens, von Indien über Bangladesch bis Kambodscha, versteckt sie sich in Baumhöhlen und Vogelnestern, kaum auszumachen zwischen den getrockneten Blättern und Blüten von Bananenstauden, in denen sie tagsüber ruht. Erst in der Dämmerung wird die Fledermaus aktiv und wagt sich aus der Deckung. Dann macht sie Jagd auf ihre Beute: Insekten. Schon nach ein bis zwei Stunden ist der Beutezug beendet, und die fingergroße Fledermaus kehrt an ihren verborgenen Schlafplatz zurück.

Doch seit einiger Zeit ist das Tier auch anderswo zu finden: An Wohnzimmerwänden und auf Regalen, präpariert in Glasglocken und hinter Bilderrahmen gepresst. Ihr Kadaver besucht als makabrer Kopfschmuck Halloween-Partys oder "ziert" als Kettenanhänger den Hals einer Trägerin. Es scheint, als sei die Schönheit der orangefarbenen Fledermaus mit den schwarzen Flügeln ihr Todesurteil. Um die toten Wildtiere zu erwerben, müssen die Käuferinnen und Käufer nicht einmal ins Darknet abtauchen. Wer beim Online-Marktplatz Etsy nach der Fledermaus sucht, wird von Angeboten getrockneter Exemplare geradezu überschwemmt. Auch bei Ebay und Amazon sind sie mit einem Klick zu bekommen.  

Wer sich durch Etsy scrollt, stößt auf präparierte Fledermäuse in unterschiedlichster Form: unter Glasglocken, hinter Bilderrahmen oder als Haarschmuck
Wer sich durch Etsy scrollt, stößt auf präparierte Fledermäuse in unterschiedlichster Form: unter Glasglocken, hinter Bilderrahmen oder als Haarschmuck
© Screenshot Etsy

Wie weit verbreitet ist dieser Handel – und welche Folgen hat er für Kerivoula picta? Forschende der University of California in Davis und der City University of New York, Queens College, haben den Handel untersucht und ihre Ergebnisse in einer Studie im "European Journal of Wildlife Research" veröffentlicht. Sie hätten "zahlreiche Beweise dafür gefunden, dass diese Fledermausart dem Handel zum Opfer fällt", schreiben die Forschenden darin. 

Mithilfe von halbautomatischem Data Mining und manueller Datenerfassung konnten sie innerhalb von drei Monaten 856 Fledermaus-Angebote ausfindig machen, 86 Prozent davon auf Etsy – einer Online-Plattform, die eigentlich mit individuellem Kunsthandwerk, kleinen Unternehmen und nachhaltigen Produkten in Verbindung gebracht wird. 284 Fledermäuse identifizierten die Forschenden als Individuen der Art Kerivoula picta. Da die Tiere in freier Wildbahn selten sind, befürchten sie, dass Jäger systematisch losziehen und nach den Fledermäusen suchen.

Unethisch, vermutlich illegal – und gefährlich

Die Fledermäuse stammen der Studie zufolge aus ganz Asien, von wo sie vor allem in die Vereinigten Staaten gelangen und dort als makabre Halloween-Dekoration oder Gothic-Accessoire vermarktet werden. Sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite sind die USA das wichtigste Zielland, doch die Online-Shops liefern ihre Ware auch nach Europa und in andere Teile der Welt. Deshalb erwarten die Forschenden, dass sich die Situation der Tiere mit der Zunahme und Vereinfachung des globalen Onlinehandels verschlechtern wird: "Insgesamt zeichnet unsere Studie ein beunruhigendes Bild eines Handels, dessen ökologische Auswirkungen aufgrund fehlender Populationsdaten unbekannt bleiben, der aber wahrscheinlich illegal, unethisch und nicht nachhaltig ist und ein Bio-Sicherheitsrisiko darstellen kann", schreiben sie.

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Das Problem: Über die Populationsgröße der Fledermaus mit dem wolligen, lockigen Fell und den trichterförmigen Ohren ist kaum etwas bekannt. Niemand weiß, wie viele Tiere sich in den Wäldern Asiens verstecken. Erstmals 1888 in Bangladesch gesichtet, galt die Fledermaus lange Zeit als ausgestorben – bevor sie im Juni 2021 nach 133 Jahren wiederentdeckt wurde. Die Umweltschutzorganisation IUCN (International Union for Conservation of Nature) stuft die Art als "potenziell gefährdet" ein, anderswo ist lediglich vermerkt, die Datenlage sei lückenhaft. Was allerdings bekannt ist: Die Fledermäuse reproduzieren sich sehr langsam, die Weibchen bringen nur ein einziges Jungtier auf einmal zur Welt. Das gefährdet die Art durch Wildtierhandel und Jagd besonders – ganz zu schweigen von dem Widersinn, Tiere für Dekorationszwecke zu töten.

Viele der toten Fledermäuse werden von den Verkäufern dennoch fälschlicherweise als "nachhaltig" angepriesen, mit dem Hinweis, dass es sich um keine geschützte oder gefährdete Art handelt. Tatsächlich ist Kerivoula picta bislang nicht durch das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES geschützt, das den grenzüberschreitenden Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen regelt. "Leider konzentrieren sich Forschung und Politik, die sich mit dieser Bedrohung befassen, hauptsächlich auf charismatische und leicht zu identifizierende Arten, sodass der Onlinehandel mit Fledermäusen nur unzureichend erforscht ist und Fledermäuse nicht ausreichend geschützt werden", schreiben die Forschenden – und empfehlen, die Fledermaus in das Abkommen aufzunehmen, um den Handel zu regulieren oder zu verbieten.

Eine "nachhaltige Fledermauszucht" gibt es nicht

Gleichzeitig stellen sie klar: Den von den Verkäufern beworbenen "bewussten Konsum" durch eine "nachhaltige Fledermauszucht" gibt es nicht. Die Zucht von insektenfressenden Fledermäusen gilt generell als nicht umsetzbar. Deshalb, so schlussfolgern die Forschenden, muss es sich bei den angebotenen Fledermäusen um Wildtiere handeln – die größtenteils illegal gefangen wurden. Denn in den meisten Ländern im Verbreitungsgebiet von Kerivoula picta ist die Jagd auf insektenfressende Fledermäuse verboten. 

Neben dem formell rechtlichen Schutz der Wollfledermaus fordern die Forschenden Feldstudien, um die Populationsentwicklung und die damit verbundenen Herausforderungen zu untersuchen. "Fledermauspopulationen nehmen weltweit ab, und Kerivoula picta ist nur eine von vielen einzigartigen Fledermausarten, die vom anhaltenden globalen Verlust der Artenvielfalt betroffen sind", sagt Studienautorin Nistara Randhawa in einer Mitteilung der University of California in Davis. "Es ist unglaublich wichtig, sie zu schützen, nicht zuletzt wegen der lebenswichtigen Ökosystemleistungen, die Fledermäuse erbringen. Kerivoula picta sollte in ihrem natürlichen Lebensraum unter Bananenblättern nisten und nicht tot als Dekoration an der Wand hängen."