Erst kürzlich meldete der EU-Klimawandeldienst für das westliche Mittelmeer mit 27 Grad Celsius den höchsten jemals dort gemessenen Juni-Wert. Doch im globalen Maßstab waren die Meerestemperaturen des Jahres 2023 beispiellos, wie ein internationales Forschungsteam im Fachjournal "Science" schreibt. Sie betrafen mit dem Nordatlantik, dem Nordpazifik, dem Südwestpazifik und dem tropischen Ostpazifik gleich vier riesige Areale und liefern dem Team zufolge einen Vorgeschmack auf die kommenden Jahrzehnte.
Bei einer Meereshitzewelle müssen die Wassertemperaturen mindestens fünf Tage lang höher liegen als an 90 Prozent der vergleichbaren Tage in einem 30 Jahre währenden Vergleichszeitraum. Der Studie zufolge vereinten die untersuchten Extremereignisse gleich drei Rekorde: "Die marinen Hitzewellen von 2023 hatten die längsten Dauern, die größten Ausmaße und die höchsten registrierten Intensitäten", betont die Gruppe um Zhenzhong Zeng vom Eastern Institute of Technology in der chinesischen Großstadt Ningbo. Das belege den zunehmenden Einfluss des Klimawandels auf Extremwetter-Ereignisse und sei möglicherweise ein früher Hinweis auf nahende Kipppunkte des globalen Klimas. Das Team betrachtet insbesondere auch ökologische Folgen.
Niedergang der Kabeljau-Fischerei im Nordpazifik
"Solche Vorkommnisse können Ökosysteme über Schwellenwerte schieben und möglicherweise Korallenriffe kollabieren lassen, die Artenvielfalt verringern, die Mortalität steigern und Fischarten umverteilen", betont es. Hitzewellen hätten bereits zuvor zum Rückgang etwa der Kabeljau-Fischerei im Nordpazifik geführt. Als Beispiele für geschädigte Ökosysteme durch Hitzewellen nennt die Gruppe neben Korallenriffen auch Kelpwälder und Seegraswiesen.
In der Studie analysiert das Forschungsteam die verschiedenen marinen Hitzewellen von 2023 und ergründet ihre jeweiligen Ursachen: Betroffen waren demnach vier Regionen: der Nordatlantik insbesondere vor den Küsten Südeuropas und Nordafrikas, der Nordpazifik von Korea und Japan bis zur Westküste der USA und Kanadas, der südwestliche Pazifik in der Region von Tasmanien über Neuseeland bis weit nach Osten sowie der tropische Ostpazifik, also die dortige Region um den Äquator.
Ursachen der ungewöhnlichen Wärme im Meer
Die Hitzewelle im Nordatlantik zog sich demnach von Juni 2022 bis Ende 2023 hin – und war in dieser Region mit 525 Tagen das längste jemals registrierte derartige Ereignis. Während der gesamten Zeit lag die Temperatur an der Wasseroberfläche demnach um mindestens 1,0 Grad Celsius über dem Durchschnitt, zeitweilig sogar um mehr als 3 Grad, heißt es. Das überschreite die Toleranz vieler Meeresbewohner bei weitem.
Die Hitzewelle im Südwestpazifik startete demnach im November 2022 und dauerte 410 Tage. Auch wenn die Temperaturen die Durchschnittswerte nicht so extrem überstiegen wie im Nordatlantik, so erstreckte sich diese Hitzewelle wesentlich weiter nach Osten als frühere solche Ereignisse. Die ungewöhnliche Wärme im Nordpazifik dauerte demnach seit Mai 2019 über mindestens vier Jahre an. Und im tropischen Ostpazifik setzte die Anomalie Mitte März 2023 ein und erstreckte sich über das gesamte restliche Jahr – wobei Durchschnittswerte bis zu 1,63 Grad über den Mitteltemperaturen lagen.
Aus Satellitendaten und Meeresmodellen leitet das Team auch die Ursachen der Wärme im Meer ab: So fiel im Nordatlantik das gewöhnlich in der Region vorherrschende Azorenhoch so schwach aus, dass östlich davon weniger Luft von Norden her einströmte. Dies trug bei zu einer ungewöhnlich dünnen Wolkendecke, so dass mehr Sonnenstrahlung die Wasseroberfläche erreichte und erwärmte.
Im tropischen Ostpazifik spielte El Niño eine Rolle
Auch im Südwestpazifik führt das Team die hohen Wassertemperaturen teilweise auf eine ausgedünnte Wolkendecke zurück. Zudem habe hier ein stabiles Hochdruckgebiet die üblicherweise vorherrschenden Westwinde geschwächt. Im Nordpazifik habe das Wasser deutlich mehr Wärme aus der Atmosphäre aufgenommen als gewöhnlich, zusätzlich habe auch hier eine geringere Bewölkung zur verstärkten Erwärmung beigetragen.
Im tropischen Ostpazifik dagegen, so schreibt die Gruppe, habe der Beginn des Wetterphänomens El Niño eine Rolle gespielt. Typischerweise werde der Anfang eines El Niño-Ereignisses in dieser Region dadurch gekennzeichnet, dass Passatwinde schwächer ausfallen und das Aufsteigen von kaltem, nährstoffreichem Wasser aus der Tiefe behindert wird, so dass die Wassertemperatur an der Oberfläche ungewöhnlich hoch ist. Das gleichzeitige Auftreten mehrerer Hitzewellen in einem Jahr habe möglicherweise noch weitere Ursachen, schreibt die Gruppe.
Beispiel "The Blob" im Nordostpazifik
"Marine Hitzewellen haben tiefgreifende Folgen für das Erdsystem, einschließlich ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Aspekte", schreibt die Gruppe – und verweist noch auf einen weiteren Punkt: "Die Erwärmung der Meere trägt zu Veränderungen des globalen Meeresspiegels bei. Etwa 50 Prozent davon werden der thermischen Ausdehnung des Meerwassers zugeschrieben und bedrohen so tiefliegende Inseln und Küstenzonen durch Überschwemmungen."
Wozu Hitzewellen führen können, beschreibt das Team am Beispiel "The Blob" im Nordostpazifik von 2013 bis 2015. Damals sei die Primärproduktion zurückgegangen, die Sauerstoffkonzentrationen seien gesunken, die Versauerung habe zugenommen und die Artenverteilung habe sich verändert.
Zudem könnten Hitzewellen Auswirkungen haben auf die globalen Polkappen und auf die Atlantische Meridionale Umwälzbewegung (Amoc), zu der auch der Golfstrom gehört.