Wissenschaft Das Gold wächst auf Bäumen! Finnlands Fichten erstaunen Forschende

Fichtenwald
Aus der Ferne betrachtet, aus der Perspektive einer Drohne, deutet nichts auf einen Schatz hin, den diese Fichten bergen könnten. Doch in den Nadeln finnischer Exemplare, die über einer Goldmine wuchsen, stöberten Forschende das wertvolle Edelmetall auf. Eine wichtige Erkenntnis für die Suche danach
© YAY Images / imago images
Im Norden Finnlands speichern Mikroben auf verblüffende Weise das Edelmetall: und zwar in Fichtennadeln. Eine Erkenntnis, die zur Entdeckung neuer Vorkommen führen könnte

Die Suche nach Gold führte Forschende an einen ungewöhnlichen Ort: tief in die Wälder Lapplands, zu Fichten, die Spuren des Edelmetalls bergen könnten. Das war zumindest ihr Verdacht. Zum Beweis nahm das Team Nadeln mit, um sie später im Labor zu untersuchen. Sie fanden tatsächlich Spuren des Edelmetalls. Mit bloßem Auge waren sie nicht zu erkennen, doch unter dem Elektronenmikroskop leuchteten sie wie winzige Sterne. 

Dass Bäume Gold enthalten, klingt fast wie ein Aprilscherz

Dass Pflanzen Metalle aufnehmen können, war zu diesem Zeitpunkt bekannt. Aber wie das Gold nun genau in das Innere der Fichten gelangt war, erschien rätselhaft. Das Forschungsteam um die finnische Mikrobiologin Kaisa Lehosmaa von der Universität Oulu fand einen entscheidenden Hinweis: In den Nadeln lebende Bakterien scheinen maßgeblich daran beteiligt zu sein, dass sich das Edelmetall ablagert. In Form kleiner Partikel, sogenannter Nanopartikel. Die Mikroben könnten also als winzige Biochemiker wirken – und Gold aus gelöstem Zustand in feste Partikel überführen, was die Forschenden in einer Studie publizierten.

Dass Bäume Gold enthalten, klingt fast wie ein Aprilscherz. Tatsächlich aber ist das Phänomen schon länger bekannt: Forschende aus Australien stöberten im Jahr 2013 bereits Goldpartikel in den Blättern von Eukalyptusbäumen auf, die über Lagerstätten wuchsen. Das Metall gelangt über Wurzeln und Grundwasser in die Pflanze, wird im Saftstrom nach oben transportiert und schließlich in Blättern eingelagert. Die Entdeckung galt damals als ein Durchbruch für die "biogeochemische Exploration" – die Suche nach Erzvorkommen mithilfe von Pflanzenproben. Eine Disziplin, welche die Fahndung nach Edelmetallen erleichtert. Denn Spuren in den Blättern können auf Vorkommen im Untergrund hindeuten, selbst wenn das Gestein viele Meter unter Sedimenten verborgen liegt. Doch exakt wie sich die Partikel in den Pflanzen einlagerten, blieb unklar.

Das Ergebnis war überraschend: In vier Bäumen fand sich tatsächlich Gold

Um dieser Frage beim Gold nachzugehen, untersuchte Lehosmaas Team in Nordfinnland 23 Fichten der Art Picea abies, der Gemeinen Fichte. Und zwar von solchen, die über dem bekannten Vorkommen der Mine von Kittilä wuchsen, der ergiebigsten Goldlagerstätte in Europa. Von diesen Bäumen sammelten sie 138 Nadeln und suchten mithilfe hochauflösender Rasterelektronenmikroskopie nach Spuren des Edelmetalls. Gleichzeitig analysierten sie das genetische Profil der Mikroorganismen, die im Inneren der Nadeln leben – den Endophyten.

 

Das Ergebnis war überraschend: In vier der untersuchten Bäume fanden sich tatsächlich Gold-Nanopartikel, in Gestalt winziger Kügelchen. Diese waren von bakteriellen Zellen umgeben, die in einer Matrix eingebettet waren – einer Art Schleimschicht, die Mikroben als Schutz und Lebensraum dienen. Auch Biofilm genannt. 

In Nadeln mit Goldpartikeln traten bestimmte Bakteriengruppen besonders häufig auf: darunter Cutibacterium und Corynebacterium. Offenbar stehen sie in direktem Zusammenhang mit der Goldbildung, wahrscheinlich können sie lösliches Gold in feste Partikel umwandeln. Denn gelöst ist Gold für die Bakterien toxisch, sie müssen es einkapseln, um zu überleben. Der genaue Mechanismus dahinter ist zwar noch unklar. Doch vieles deutet darauf hin, dass die Mikroben bei einem Vorgang helfen, den die Wissenschaft Biomineralisierung nennt – dem Übergang von gelösten Metallen zu mineralischen Formen mithilfe von Lebewesen.

Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme der Fichtennadeln
Blick in das Allerkleinste in einer Fichtennadel: Die gelbe, gepunktete Linie zeigt die Grenzen einer Bakterienkolonie, darin eingekapselt ist ein Partikel aus Gold (weißer Pfeil) zu sehen
© Lehosmaa, K. / Wäli, P.R. / Sutinen, A. et al.

Die Einsicht, dass Bakterien Metalle umwandeln können, ist nicht neu: In Böden spielen Mikroben seit jeher eine wichtige Rolle bei der Bildung und Veränderung von Mineralien. Einige Arten können Metalle oxidieren oder reduzieren, andere sie in unlösliche Verbindungen überführen. Doch dass solche Prozesse innerhalb lebender Bäume stattfinden, wurde bislang selten belegt.

Nebenbei schützen die Bakterien Pflanzen vor Stress

In den Fichtennadeln aus Finnland bilden Mikroben und Pflanzen offenbar ein funktionelles Ganzes, leben eine enge Symbiose. Ein solches Zusammenwirken kann Pflanzen ganz grundsätzlich vor Stress schützen, der zuweilen von Metallen ausgeht: Mithilfe der Winzlinge werden sie in harmlose Nanopartikel überführt und in der Biofilmstruktur gebunden, statt das Gewebe zu schädigen. Für die Rohstoffforschung ist das zudem mehr als eine biologische Kuriosität. Schon länger wird in Gewächsen nach Hinweisen auf unterirdische Vorkommen gesucht. Ließen sich bestimmte Mikroben als Marker auch für Goldanreicherung in Pflanzen identifizieren, könnten sie künftig helfen, Lagerstätten zu entdecken – ohne Probebohrungen oder Sprengungen. Pflanzenteile ließen sich gezielt auf solche "Goldbakterien" oder auf metallhaltige Nanopartikel scannen.

Doch die Erkenntnisse könnten noch weitere praktische Anwendungen nach sich ziehen. Biomineralisierung – also die mikrobielle Bildung fester Minerale – hilft womöglich auch bei der Reinigung von Gewässern oder der Rückgewinnung von Metallen aus Abwässern. So kommen auch in Moosen, die unter Wasser wachsen, Metalle vor. Sollte die Forschung entschlüsseln, wie Mikroben dort Metalle binden, ließen sich neue Wege finden, jene aus dem Wasser zu entfernen.

Was mit goldenen Fichtennadeln begann, könnte also zu neuen, nachhaltigen Technologien führen – beim Umweltschutz wie auch bei der Rohstoffsuche. Und vielleicht wird die Fichte, deren Nadeln von unsichtbarem Edelmetall gespickt sind, gar irgendwann einen neuen Goldrausch auslösen.