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Pflanzen Das Geheimis der Kletterkünstler: Lianen leisten Wäldern unschätzbare Dienste

Text: Andreas Weber, Fotos: Christian Ziegler
Lianen sind Trittbrettfahrer: Sie nutzen die Stämme anderer Pflanzen, um Licht für ihr eigenes Wachstum abzuzapfen. Doch die Klettergewächse sind weit mehr als Schmarotzer im Regenwald
Der Schein trügt: Weder wachsen Lianen freistehend in den Himmel, noch gedeihen sie als Dreierbündel. Einst muss hier also ein Baum einer Rankpflanze als Klettergerüst gedient haben. Als er umstürzte, war die Liane bereits im Blätterdach verankert. Seither dient sie selbst als Himmelsleiter und wird von anderen Gewächsen umschlungen
Der Schein trügt: Weder wachsen Lianen freistehend in den Himmel, noch gedeihen sie als Dreierbündel. Einst muss hier also ein Baum einer Rankpflanze als Klettergerüst gedient haben. Als er umstürzte, war die Liane bereits im Blätterdach verankert. Seither dient sie selbst als Himmelsleiter und wird von anderen Gewächsen umschlungen
© Christian Ziegler

In Momenten der Muße beobachtete Charles Darwin Lianen beim Klettern. Der große Naturforscher schlief eine Weile mit einer Hopfenstaude in einem Zimmer, das wegen der andauernden Kränklichkeit des Wissenschaftlers gut geheizt war. In der Wärme schoss der Stängel der Rankpflanze rasch empor. Darwin notierte am nächsten Morgen, wie weit und in welche Richtung sich die Sprossspitze gedreht hatte. 

Den britischen Naturforscher faszinierten all jene Pflanzen, die nicht mit einem eigenen festen Stängel oder Stamm zum Licht wachsen, sondern an Bäumen, Sträuchern oder anderen Gegenständen emporklettern. Vor allem ihre Fähigkeit, mit ihren Trieben systematisch die Umgebung nach Punkten zum Festhalten abzusuchen, beschäftigte ihn. Die Sprossspitzen schienen sich wie kleine, außerordentlich verlangsamte Tiere durch den Raum zu bewegen. Zugleich boten Lianen dem Begründer der Evolutionstheorie ein fantastisches Beispiel, wie sich durch Anpassung ein Vorteil erringen lässt: Schlingpflanzen bilden selbst kaum Holz, sondern nutzen die Stämme von Bäumen, um hoch über deren Kronen Licht für ihr eigenes Wachstum abzufangen.

Erschienen in GEO Nr. 2 (2022)